Montag, 27. September 2010

Aufruf zur Gründung einer Berufsakademie für das Antiquariat im deutschen Sprachraum




Drei einfache Beispiele zuvor.

1.
Ein Kollege im hohen Norden beklagte sich vergangene Woche bei mir über meine Unart, Pakete zu fertigen, aus denen das Zeitungspapier an allen vier Ecken hervorquelle und die, wiewohl haltbar, jeder Ästhetik Hohn sprächen. Er hatte ein solches Kunstwerk aus meiner Hand erhalten und war not amused.

Ich mußte ihm in der Antwort recht geben. Strafverschärfend wirkte sich aus, daß ich kurz zuvor  freudestrahlend einen halben Tag an einem Aufsatz gesessen war, in dem ich darstellte, weshalb die Luftpostertüte ein Übel vor dem Herrn sei und jeder Kollege nur noch mit den Drehverpackungen aus dünner Wellpappe arbeiten sollte. Im Großhandel kosten sie ungefähr gleichviel, schonen das Buch aber weit besser und sind vor allem ansehnlicher, wenn sie beim Empfänger ankommen.

Damit hatte ich zwar den Nagel auf den Kopf getroffen, und da ich zugleich gute Quellen im Fabrikgroßhandel nennen konnte, stand einer Revolution und Standardisierung im Verpackungswesen, verbunden mit der Ächtung der Luftpolstertaschen und zentraler Belieferung mit den Drehverpackungen an alle interessierten Kollegen nichts mehr im Weg - zumal die Bremer Herstellerfirma eine großzügige Verrechnung mit jenen Abfallpauschalen anbot, die uns alle so nerven.

Trotzdem tat sich nichts. Es fehlte der Rahmen, das Thema auszudiskutieren, es war keine Plattform vorhanden und kein Informationsmedium, das halbwegs Autorität gehabt hätte, sich dieser Frage  a k a d e m i s c h  anzunehmen. Was zunächst eine formal korrekte, neutral geleitete Diskussion meint und dann die Erarbeitung und Verabschiedung von Erkenntnislisten, von S t a n d a r d s. Die es abschließend zu formulieren und an alle Antiquare zu verteilen gilt.


2.
Von Zeit zu Zeit ärgere ich die Antiquare mit meinen Webseitenkritiken. Zum Teil waren sie albern, es fehlte, wie Kollege RFMeyer richtig erkannte, die Berücksichtigung der technischen Strukturen hinter dem augenscheinlich Erkennbaren, teils aber waren sie, darauf bestehe ich, durchaus lehrreich, zum Beispiel als es um den Reihen-Vergleich der ästhetischen und oberflächlich-funktionalen Gestaltung unserer Bücherdatenbanken ging.

Wie auch immer, es dürften sich alle Antiquare mit mir gewundert haben, wie groß die Unterschiede sind in der Webseitengestaltung unserer Kollegen, welche zum Teil höchst peinlichen und ärgerlichen Fehler gemacht werden, in Rechtschreibung wie auch in Höflichkeit und Herzensbildung, und wie gut sich diese Mängel in Kategorien einteilen lassen, als sei man im Lateinunterricht oder in der Chemiestunde.

Ich habe das ja nur angetestet, nicht zuletzt deshalb drang ich nicht tiefer und breiter in die Materie ein, weil mir die dabei die Möglichkeit zur  D i s k u s s i o n  fehlte. Hier sollten wir Punkt für Punkt besprechen, werten, beurteilen können auf einer  g e m e i n s a m e n  Ebene. Webseitenkritik, Webseitenreform, Webseitenmodelle müssen in fairer  a k a d e m i s c h e r  Auseinandersetzung stattfinden bzw. entwickelt werden.


3.
Manche Bücherdatenbanken entwickeln sich sehr sprunghaft und präsentieren sich unerwartet gut, etwa das jetzige Eurobuch im Vergleich zum alten sfb, andere sind graphisch exzellent, kommen aber trotzdem auf keinen grünen Zweig, siehe antbo, wieder andere verirren sich nach einem Jahrzehnt guter optischer Gestaltung ins Überladene und Irritierende hinein, ich meine das heutige ZVAB, wieder andere beharren eigensinnig auf kuriosen Detailfehlern, siehe eine genossenschaftseigene Datenbank. - Zusammenhang, Zusammenarbeit, offen und im Untergrund, finanzielle Manipulation, internationale Bedrohungen und Kooperationen der Bücherdatenbanken sind fast unaufdröselbar geworden, selbst die diversen Vereinigungen der Antiquare gefallen sich darin, über ihre eigenen oder doch assoziierten Bücherportale wenig zu sagen oder doch nur das, was ihnen paßt, ich erwähne nur ILAB und das verdächtige Schweigen in Sachen Abebooks/Amazon international. - Die Gebühren- und Konditionenfrage ist zwar den fleißigen "unteren" Kollegen recht gut bekannt und wird dort diskutiert, der Rest der Antiquare aber hat nur ein höchst fragmentarisches Wissen, keinen rechten Überblick über das, was etwa bei Ebay geschieht. Düster lastet die w+h-Problematik über fast allen deutschen Antiquaren, eine Abhängigkeit, die bei Lichte besehen bald die Qualität des früheren ZVAB-Problems erreichen könnte. Wie elegant sich mit CSV-Standards der bescheidensten Art Auswege aus derartiger Unfreiheit organisieren ließen, das könnten die EDV-Experten unter uns gut darstellen (wenn sie denn wollten). - Es ist eine Schande, daß wir immer noch nicht in der Lage sind, Standards für Titelaufnahme, Zustandsangaben und Sachgebiete zu verabschieden. Nicht um sie dann sklavisch zu befolgen, sondern um überhaupt ein vernünftiges Regelwerk auszudiskutieren.

Auch dieses Bündel von Fragen bedarf einer  a k a d e m i s c h e n  Behandlung.

Das sind nun drei Beispiele aus einer umfangreichen Liste dringendster Desiderata. Auch das Messewesen sollte so diskutiert werden, auch die Preisentwicklung unserer alten Bücher und ihre Ursachen, die Chancen von Webseitenverbünden (über die ich unlängst schrecklichen Unsinn geschrieben hatte; so wie ich mir das dachte, geht es nie und nimmer). Die Umgründung einer allgemeinen Genossenschaft sollte in diesem Rahmen behandelt werden, Fragen der Zusammenarbeit mit Österreich und der Schweiz, vor allem gemeinsame Lösungen in der Portofrage, und so fort, es ist kein Ende der Themen abzusehen.

Wir haben gesehen, daß sowohl im Rahmen des ZVAB als auch in der Frankfurter Buchhändlerschule mit einigem Erfolg das durchgeführt werden konnte, was ich *Kurzzeitseminare und *Crash-Kurse für Antiquare nennen möchte. Das ist nichts Schlechtes, und selten habe ich mich über die Kollegen so geärgert  wie bei der mißgünstigen, kleinlich-dümmlichen Beurteilung, die sie überwiegend zur Hand hatten bei diesem Thema. Denn der Versuch war löblich.

Zurück zur Buchhändler-Schule. *Kurse sind recht und schön, man kann auch erfahrene Kollegen finden, die die weißgott nicht leichte Arbeit zu übernehmen bereit sind, über ihre Fachgebiete zu referieren.

A b e r  das ist alles keine  f o r m a l e  Diskussion, es dient nicht zur Gewinnung von  E r k e n n t n i s s e n, befödert nicht den beruflichen  F o r t s c h r i t t.

Dies kann nur eine Berufsakademie leisten.

In der Berufsakadenmie sollen

Arbeitsgruppen 

eingerichtet werden, in denen nach Internet- oder Tagungsregeln Thesenpapiere aufzustellen und Ergebnisse zu erarbeiten sind.

Die Ergebnisse durchlaufen je nach Themenstellung unterschiedliche Entscheidungs- und Kontrollinstanzen. Man diskutiert und entscheidet über Drehverpackungen anders  als über Webseitengestaltung, wieder anders über internationale Zusammenarbeit bei Bücherdatenbanken.

Die Akademie sollte zentral gelegen sein, gerade auch unter Berücksichtigung der Schweiz und Österreichs. Ich würde daher vorschlagen, daß die Buchhändlerschule in lockerer Assoziation der Sitz der

Berufsakademie der Antiquare
im deutschen Sprachbereich

wird. Die Leitung dieser Akademie sollte Björn Biester anvertraut werden. Ich bin zu Zeiten als Kritiker Biesters aufgetreten, gerade deshalb möge man diesen Vorschlag ernstnehmen.

Wie die Akademie finanziert wird, ist klar: Jede Berufsakademie wird von (möglichst) allen Kollegen gemeinsam getragen. Die Lehrkräfte sollten demokratisch gewählt werden; um das durchzuführen, muß nach meiner Einschätzung eine neue, lockere Plattform der "Antiquare im deutschen Sprachbereich"  geschaffen werden, die dann Mitglieder der Berufsakademie sind und ihren Beitrag zahlen. Bei aller Liebe - daß und warum die bestehenden Verbände und Gruppierungen hierzu nicht herangezogen werden sollten, das können die Kollegen besser darstellen als ich.

In diesem Sinn rufe ich heute zur Gründung der

Berufsakademie der Antiquare
im deutschen Sprachbereich

auf.


Das Bild unten zeigt die frühere Börse der Buchhändler in Leipzig (Dank an de.academic.ru). Ganz oben, gleich nach der Überschrift, grüßt uns die Leiterin der Frankfurter Buchhändlerschule.

Montag, 20. September 2010

Es tritt eine Funkstille von 5 Minuten ein

Liebe Blogleser,

ich habe wieder einmal Gelegenheit zu einem kleinen Auslandsaufenthalt bekommen. Ich werde zwar tageweise auch in Freiburg sein, habe dann aber nur hin und wieder Zeit zum Schreiben. Einige Zeit haben Sie also Ruhe vor

Ihrem Peter Mulzer

Sonntag, 19. September 2010

Unsere Webseitenkritik: "Antiquariate im Netz" des Kollegen Höfs



Im Börsenblatt weist Antiquar Höfs auf sein Antiquariatsportal hin. Er möge mir gestatten, einen kleinen Test durchzuführen.

Kollege Höfs sollte nicht mit Formulierungen arbeiten, die hart an der Grenze zum Mißverständlichen liegen. Wenn er schreibt "Antiquariate im Netz", dann kann das zwar bedeuten Liste/ Portal /Verzeichnis "einige(r) Antiquariate, die sich im Netz befinden", kann aber ebensogut meinen, "die (der) Antiquariate, die sich im Netz befinden". Im ersten Fall wäre es korrekt, im zweiten Fall Roßtäuscherei. Dieser Hinweis ist besonders dann notwendig, wenn die Zahl der von ihm aufgenommenen Kollegen geradezu lächerlich klein ist im Verhältnis zu der wirklichen Netzpräsenz der Antiquariate.

Ich hatte ihn schon vor zwei Jahren darauf hingewiesen im "Börsenblatt". Vermutlich muß ich den gleichen Text noch öfter schreiben.

Fragwürdig und nicht sehr seriös verhält sich Höfs, wenn er einige Zeilen darunter locker formuliert "Register der deutschsprachigen Antiquariate". (Daß dabei "Der" noch klippschulhaft falsch mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben wird, paßt dazu). Korrekt wäre die Überschrift: "Register einiger ausgewählter deutschsprachiger Antiquariate".

"Finden Sie den Weg in das professionelle Antiquariat" ist kein Deutsch. Meint Höfs nun eine Aufforderung mit vergessenem Ausrufezeichen, will er am Ende einen gedachten Doppelpunkt haben und meint "So finden Sie...", wie auch immer, unsere Kunden sind extrem sprachempfindlich und verzeihen uns dergleichen Schnitzer nicht.

""Der Antiquar ist gelehrter als ein Kaufmann und kaufmännischer als ein Gelehrter ". Nach diesem alten Motto arbeiten viele Antiquariate"

Dies als fettgedruckten Einleitungstext zu verwenden ist, kollektiv auf uns Antiquare angewendet, Angeberei pur. Wer unter uns seltsamen Wesen, Antiquare genannt, wirklich gelehrt ist, der würde sich eher die Zunge abbeißen als so anzugeben. Höfs zitiert hier ja nur einen seiner Ansicht nach kuranten Spruch (ich hab ihn noch nie gehört), aber der gute Geschmack verbietet solche Zitate.

"Ob Sie wissenschaftliche Interessen verfolgen, sich der Literatur verschrieben haben, oder nur ein Buch aus Jugendtagen suchen,"   Das zweite Komma vor "oder"  ist  s e h r  falsch. Lieber Kollege, lassen Sie doch bitte wenigstens die Einführungstexte auf der ersten Seite gegenlesen!

"im Kompetenz-Netzwerk der Antiquariate". - Das ist modernistischer Schwulst, Angeberei und, angesichts der kümmerlichen Webleistungen einiger Kollegen, einfach nur  p e i n l i c h.  Merken Sie das nicht?

"Lernen Sie hier unsere Mitgliedsantiquariate umfassend kennen und nutzen Sie deren Beratung und Kompetenz."  - Wie bitte soll das vonstatten gehen? "Umfassend" - ich bitte Sie! Haben Sie sich die oft beleidigende, sprachlose Kürze vieler Kollegenseiten denn nicht angesehen? Sprechen nicht die meisten Seiten jeglicher "Kompetenz" Hohn?

"Nutzen Sie projektbegleitend den Service der Literaturbeschaffung aus einer Hand." - Das ist schwurbeliger Unsinn. Wenn Sie was damit meinen - ich habe meine Zweifel - dann müssen Sie es erklären. "Projektbegleitend", "aus einer Hand" - das ist hohle Wortklingelei.

"Viele Titel, die sich nicht im Internet finden lassen, können dennoch durch weltweite Kontakte und Kooperationen der Antiquariate besorgt werden." - Das ist in dieser Form gesagt  f a l s c h, es ist unwahr, und Sie wissen das auch. Für verschwindend wenige hochpreisige Titel mag es im Einzelfall gelten, ist aber äußerst selten.

"...viele unserer Mitgliedsunternehmen auf zum Teil jahrhundertealte Traditionen zurückblicken können und diesen auch verpflichtet sind. Hierzu gehören kompetente Beratung, ein hoher Qualitätsanspruch und bester Service. " - Ich nenne so etwas, nach meiner persönlichen Einschätzung, erstklassige Schleimerei. Natürlich wünschen wir uns alle, daß es so wäre - aber solche nur punktuell angestrebten Idealziele dürfen Sie doch nicht als Behauptung in den Raum stellen! Wo bleibt überhaupt Ihr guter Geschmack?

"Heute steht das Antiquariat unter Nutzung der modernen Kommunikation auf der Höhe der Zeit, das Internet hat vielfach den bewährten Katalog abgelöst und es ist gelungen, die Tradition mit der Moderne erfolgreich zu verknüpfen. " - Glauben Sie, was Sie da sagen? Die Mehrzahl der gebeutelten, gestreßten, unter Abhängigkeiten seufzenden Kollegebn haut Ihnen diesen Satz um die Ohren.

"Verkauft wird nur das was von vielen gefragt wird, ist die Philosophie des modernen Handels, wie er auch von großen Buchhandlungen und Verlagen betrieben wird." - In diesem Satz steckt neben Babydeutsch auch ein massiver Fehler, der schon im Deutschaufsatz eines Sextaners zur Abwertung führen würde.

"Genau wie die großen öffentlichen Bibliotheken sammelt der Antiquar Bücher aller Fach- und Literaturgebiete ohne erst einmal vorrangig auf die Verkaufbarkeit zu achten." - Vor "ohne" fehlt ein Komma. Von der Aussage her ist dieser Satz relativer Unsinn.

"Rechnet man jedoch den eingesparten Aufwand für die Suche nach dem seltenen Werk dagegen, die ja vom Antiquariat schon geleistet wurde, ist der Preis in den meisten Fällen berechtigt oder sogar äußerst preiswert." - Jeder Kunde weiß, daß das Antiquariat keineswegs den Titel "gesucht" hat. In aller Regel kommt er aus Ankäufen herein, automatisch. Die Fälle, in denen ein Antiquar für seinen Kunden überhaupt noch suchen darf oder kann, sind ganz selten geworden - leider. Mit der "Sucharbeit" können Sie doch unsere Preise nicht begründen!

"Besuchen Sie ein Antiquariat, tauchen Sie ein, in den Charme vergangener Zeiten" - - und Sie, werter Kollege Höfs, tauchen erst einmal auf aus dem Kitschbrei der Courths-Mahler, wenns beliebt. Und tilgen Sie den Sprachschnitzer mit dem hier verbotenen zweiten Komma.

Ihre Werbung sehe ich kraft meiner Mozilla-Einstellungen nicht. Ich bin aber durchaus Ihrer Meinung, die Sie gestern im Börsenblatt äußerten, daß Werbung auf solchen Seiten legitim und vernünftig sei. Das Facebook-Kästchen ist Geschmacksache. Mir liegt es eher nicht, aber da halte ich mich außen vor.

Die Bundesland-Kartendarstellung ist angesichts der heutigen Darstellungsmöglichkeiten geographischer Koordinaten denkbar unbefriedigend. Sie überschätzen auch die Einteilung im Kopf des Kunden - der registriert keineswegs immer nach "Bundesländern". Da haben Sie eine unglückliche Rubrizierung gewählt.

Daß Sie "Braunschweig" nach Baden-Württemberg verlegen, wird Herrn Jauch nicht freuen. Bitte das Publikum fragen - 99%...  - Wir klicken, und lesen ergriffen Ihren Text: "Antiquariate in Braunschweig:
Kein Antiquariat gefunden. Es ist kein Antiquariat in Braunschweig vetreten."

Lieber Kollege, so geht das alles nicht. Sie  m ü s s e n  formulieren "kein Mitgliedsantiquariat", sonst komme ich Ihnen z.B. im Fall Freiburg hurtig mit einer Ermahnung angelaufen. (Er-, nicht Ab-). Sie dürfen die Kollegen nicht diskriminieren. - Und dann: Bitte nicht derart schludern, daß Sie in vertreten das "r" weglassen.

Ihr stures "Herr Veit Elsenhans", "Frau Michaela Weiers" unter der nüchternen Spitzmarke "Inhaber" wirkt linkisch, interessiert den Kunden auch nicht sehr, der will den Firmennamen, die eingeführte Bezeichnung des Antiquariats wissen. Deckt sich er mit dem Inhabernamen, schön. Aber oft ist das nicht der Fall.

Der stereotyp so wiederholte Link "Selbstdarstellung von Antiquariat Elsenhans ansehen" ist ganz unmöglich. Es handelt sich da doch nicht um "Selbstdarstellungen", sondern um den (oft mißglückten) Versuch, das eigene Antiquariat in einigen Sätzen "herüberzubringen". Das können die wenigsten Kollegen selber leisten.

Gelingt es, wie im nebenstehenden lebendigen und sympathischen Beispiel eines Antiquariats in Düsseldorf, dann erscheint plötzlich der allzu starre Rahmen Ihrer vorgegebenen Seite hinderlich. Noch mehr gilt das für die eingestellten Bilder.  Eine schwierige Frage, an der auch ich zur Zeit knabbere. Patentlösungen gibt es wohl nur in Form der eigenen redaktionellen Bearbeitung aller Seiten durch eine Hand. Bestes Beispiel dafür der (wohl wieder einmal vergriffene) Führer durch die Pariser Antiquariate. Jedem Kollege eine A5-Seite...




Ihre Verlinkung von Fremdinhalten - kurioserweise ist nicht die Überschrift des Artikels, sondern ein kryptischer Link anzuklicken - erscheint seltsam unklar. Ob Sie nun Werbung fürs Börsenblatt machen oder einfach nur einen Zusatznutzen schaffen wollen für den Besucher Ihres Portals: Dergestalt dürfen Sie Webseitenteile aus völlig fremden Federn nicht einbinden. Das will angekündigt sein auf der verlinkenden Portalseite! Sonst überfallen Sie den Leser mit "Überraschungen".

Sie bieten im Netz eine Dienstleistung an, müssen sich also gefallen lassen, daß Ihr Dienst getestet wird, und sei es nur aus Mitleid mit den vielen Bücherkunden, die auf Ihrem Portal mißverständlich und lückenhaft informiert werden.

Fazit: Wir sind nicht amüsiert und zensieren Ihr Portal mit einer ärgerlichen 4- . Verbessern Sie sowohl die Grundidee als auch alle Einzelheiten der Ausführung an Haupt und Gliedern - dann kann was daraus werden. Mein Rat steht Ihnen zur Verfügung. Ich hätte auch Kollegen Stormchen mit seinem "Antiquariatsanzeiger" nicht im Regen stehen lassen, wenn er es denn anders gewollt haben würde. Es geht nicht darum, die Projekte unseres Berufsstands zu torpedieren, sondern ihre ärgsten Kinderkrankheiten zu kurieren, damit sie überlebensfähig werden.





Die Rechte am Ausschnitt aus der Selbstdarstellung eines Düsseldorfer Antiquariats gehören Kollegen Höfs und/oder dem begreffenden Antiquariat.

Freitag, 17. September 2010

Was für Informationen brauchen wir im Antiquariat ?


Was für Informationen brauchen wir im Antiquariat ?  T e i l  1.

Ich habe lang überlegt, ob nicht die Überschrift sinnvoller hätte heißen sollen: "Was für Informationen brauchen wir im Antiquariat  w i r k l i c h ". Denn ein Blick in die Handbibliothek eines beliebigen Kollegen reicht aus, um zwanzig Bände zu sehen, die in Griffnähe des Antiquars regelmäßig benutzt werden - und zweihundert andere, die seit langem nicht mehr konsultiert wurden. Stehen sie nur zur Dekoration da? Oder hat sich die betrübliche Tatsache herumgesprochen, daß mittlere Handbibliotheken der Antiquare - einst gesuchte Zimelien - heute nur noch kümmerliche Versteigerungsergebnisse erzielen, man sie also besser stehen läßt, zur Zierde des Geschäfts?

Meine tiefe Abneigung gegen alle Auflagen des "Wendt" ist bekannt. Was im Antiquariat heute gewußt werden sollte, das steht nicht drin, unpraktischer Quisquilienballast aber findet sich dort zuhauf.

Das liegt nicht nur, aber vor allem am Internet. Man darf sich nun nicht einfach fragen: "Steht der Titel, stehen seine Informationen im Internet, habe ich das nun digital?" . Denn verändert hat sich durch das Internet inzwischen die ganze  S t r u k t u r  des antiquarischen Sachwissens. Kunde und Händler gehen heute ganz anders an die Erschließung eines Buchs heran.

Nicht nur Google und im engeren Sinn Wiki sind die Hauptquellen. Seither hat sich bei unseren Kunden ganz massiv, bei den Antiquaren leider eher selektiv und kümmerlich herumgesprochen, welchen Nutzen  F a c h p o r t a l e  bieten. Ich kann heute an keine theologische Literaturfrage herangehen, ohne das große Portal der theologischen Bibliotheken im deutschen Sprachraum zu konsultieren. Ebenso muß ich den Katalog der UB Tübingen voreingestellt haben zur Beantwortung einer theologisch-bibliographischen Frage. Auch sollte ich wissen, daß das entsprechende US-Portal eine ganze Welt hierzulande fast verschollener deutscher theologischer Fach- und Kleinschriften des 17.-19. Jahrhunderts erschließt, allwo deutsche Pfarrer zwischen Philadelphia und San Francisco sorgsam alles sammelten, was übers Meer kam.

In ähnlicher Weise muß das für jedes Fach, jedes Sammelgebiet durchdekliniert werden.

Im Bereich des Buchwesens kann man reinweg verrückt werden, wenn man das Sammelsurium unzureichend oder gar nicht, jedenfalls aber zersplittert und unpraktisch erschlossener Fachschriften überblickt. Es ist zum auf der Sau fortreiten! Hier kommt man sich wie ein Urwaldindianer mit der Machete vor, der sich durch Urwälder mühsam einen Pfad freischlagen muß. Vom Schriftmuseum über die Gutenberg-Weihestätten, über den etwas seltsam erschlossenen Schatz des Börsenvereins-Archivs, über ein Dutzend unpraktisch angelegter Fachbibliotheken bis hin zu den exzellenten, aber nur mühsam separat greifbaren Beständen der großen Allgemeinbibliotheken in Sachen "Buchwesen / Antiquariat" - jeder Bücherliebhaber wird dankbar sein, wenn in einer übersichtlichen Tabelle "seine" Fundstellen erklärt und verlinkt werden.

Aber mit dem Verlinken ist es nicht getan. Die lieb gemeinten Versuche, vor einigen Jahren waren sie modern, in ganzen Batterien seitenweise nur hübsch geordnete fachbezogene Links zur Verfügung zu stellen, lassen den Nutzer weitgehend im Regen stehen. Wo immer es angängig ist, muß ich ihn direkt an die Suchmasken führen, besser noch einige Stichworte zur Natur der Bestände beifügen.

Mit dem eigenen Scannen wird jedes Informationsportal zurückhaltend sein. Der Zeitaufwand für das Scannen ist nicht unerheblich, die Feststellung der Rechtslage womöglich noch stressiger. So zweifle ich z.B. keinen Augenblick daran, daß der Börsenverein die Ansicht vertritt, die Beiträge der über 70 Jahre toten Autoren des alten Börsenblatts vor 1945 seien urheberrechtlich geschützt, weil die Autoren ihre Rechte auf Dauer an den Verlag abgegeben hätten. Beweisen kanns vermutlich keiner. Von den fachbibliographischen Verlagen wie Hiersemann usw. ganz zu schweigen. Der Nachdruck, das Einstellen angejahrter Texte aus dem Themenkreis des Antiquariats ins Netz ist kein Vergnügen. Dies nur am Rande.

Eine ganz wichtige Frage, die vorab zu lösen ist: Wie weit gehe ich in Fremdsprachenbereiche hinein? Wir sprechen von Bereichen, weil es für fast alle antiquarischen Themen Entsprechungen nicht nur in anderen Sprachen, sondern damit zugleich in anderen Kontinenten gibt. Es ist und bleibt mir ein Lehrstück, wie wenig wir bei der Genossenschaftsgründung über das Antiquariat in den USA wußten, womöglich noch weniger über das in England; Frankreich war und ist eine Wüste des Unbekannten für uns.

Zweierlei wirkt sich da aus. Einmal die unselige, aber nicht zu ändernde Schichtenaufteilung unseres Gewerbes in Edelantiquare - für die sind Auslandskontakte selbstverständlich. Im großen Mittelfeld gibt es einzelne Kollegen, die sich im Altbuchwesen Frankreichs, Englands usw. gut auskennen. Typisch für diese kleine Gilde ist es aber nach meiner kummervollen Beobachtung, daß gerade sie wenig kooperativ eingestellt ist und ihr Wissen für sich behält. Die Unterschicht des Antiquariats ist von solchen Sorgen ganz unbeleckt und blickt einen verständnislos an, wenn man vorschlägt, doch einmal bei den Antiquaren in Melbourne anzuklopfen.

Wie unsicher auch sonst gute Medien in diesem Punkt sind, kann man am Börsenblatt oder am Kulturteil der FAZ schön sehen. Grotesk selektiv werden einzelne, vermutlich "interessante" Ereignisse in Hongkong oder New York herausgepickt, die große Linie aber wird ganz vernachlässigt. Jenseits unserer Stadttore leben nur Bauern und Jäger, nicht wahr?

Mir scheint, ein Informationsportal wie das hier geplante muß einen Kompromiß eingehen. Der angelsächische und der französische Sprachraum sollte umfassend und weltweit in Berichten, Links, Fundortnachweisen usw. eingebunden werden. Was ansonsten in der Welt in anderen Sprachbereichen "antiquarisch" vor sich geht, muß weiterhin unter den Tisch fallen.

Das tut mir weh vor allem für die spanischen und portugiesischen Bereiche. Aber wer, ich bitte Sie, kann bei uns wirklich spanisch lesen?

Noch eine Randbemerkung. Wir hatten an dieser Stelle vor einigen Tagen die neue allgemeine Systematik für das Antiquariat vorgestellt. Sie bedarf noch einer wichtigen Ergänzung (die aber erst nach und nach geleistet werden kann): Einen Thesaurus festgelegter Begriffe. Irgendwelche Esel haben z.B. in unsere Datenbanken massenhaft "hardcover" eingeführt, es geistern bei uns "Autorenkollektive" herum, die Angrenzung von "Modernes Antiquariat" und "gebrauchtes Buch" ist auch schon unklar geworden bis in Fachinserate mancher Kollegen hinein. Es gibt schöne, aber außerhalb des engen Zirkels der Büchersammler weithin unbekannte Begriffe wie "Halbfranz-Band", die energisch und ein für alle mal abgeschafft gehören. Das ätherische Gesäusel der ergrauten Bücherliebhaber in Messen und auf Tagungen verbaut uns den Weg zu dem, was unser Gewerbe am nötigsten braucht, zu den

N e u e n  K ä u f e r s c h i c h t e n.

Ein Informationsportal wirkt immer auch stilbildend. Ich werde mich bemühen, den Zopf überholter Fachtermini radikal zu beschneiden, um auch Außenstehenden besseren Zugang zum Antiquariat zu ermöglichen. Das Antiquariat braucht sein "Vaticanum", die Messe soll auch bei uns auf Deutsch, nicht in lateinisch abgehalten werden. Wir müssen das Antiquariat an junge Käuferschichten heranbringen. Daß einige der alten Herren darüber seufzen werden, ist betrüblich, aber wohl nicht zu vermeiden. Ich bin selber einer und gelobe, tapfer mitzuleiden.


Das Bild aus der Druckerei Augustin in Glückstadt (einst bekannt füt ihre Fremdsprachendrucke) verdanken wir der Webseite diethede.de. Wir halten keine Rechte an diesem Foto.

Donnerstag, 16. September 2010

Plädoyer für eine Neuauflage unserer Genossenschaft




a)
Wimbauers Leiden
Wir wissen über den Alltag des Kollegen Wimbauer recht gut Bescheid. Daran ist er selber schuld, seine twitter-Beiträge stellt er oft und fleißig ins Netz und seine Webseite ist beredtes Zeugnis einer poetischen Seele, die sich durch die fürchterliche Routine des antiquarischen Alltags nicht unterkriegen läßt. Bei ihm denke ich immer an die Glockenblume, die sich unseren Hof trotz Betonplatten-Verbundgreuel erobert hat, zwischen den Fugen. Oder an den lebenslänglich Verurteilten, der Mozartpartituren einstudiert in seiner Zelle.

Warum leben Menschen wider besseres Wissen , entgegen aller Vernunft, mit beständigem Imzaumhalten ihrer Seele und ihres Geistes in der Alltagsfron des mittleren Antiquars?

Es gibt unterschiedliche Formen des Verbergens, des Kaschierens, die allesamt Überlebenstechniken sind im Grauenhaften. Devise ist, sich nur die grenzenlose Tristesse der Routinearbeit unseres Gewerbes nicht zugeben müssen. Plocher unternimmt literarisch-poetische Ausflüge, RFMeyer dagegen ist eher philosophisch-historisch eingestellt. Man kann sich wie Hohmann als Fachmann von hohen Graden im gewählten Kerngebiet erweisen, in seinem Fall die Volks- und Betriebswirtschaft, oder das kleine Universum eines engumgrenzten Lebensbereichs abschreiten, Dumjahn und die Eisenbahn zeigen uns, wie das geht.

Wimbauer teilte mir vor Monaten auf meine wie immer etwas taktlose Anfrage freundlich mit, daß er sich bei seiner Tagesarbeit wohlfühle wie der Spatz im Klee. Keiner der Kollegen hat auch nur von fern über seine Fron geklagt. Das will mir nicht in den Kopf.

b)
Wölkis Hausfrauenriege
Es gehört zum guten Ton, im Kreise der Kollegen von ihm nicht zu sprechen. Ich halte das für einen Fehler, denn wir könnten eine Menge lernen aus dem, was er richtig gemacht hat, noch mehr freilich aus seinen Fehlern. Er hatte, man erinnert sich, als erster größere Gruppen von Hausfrauen, stellunglosen Studenten und anderen meist bedürftigen Zeitgenossen an die Serienbearbeitung von Büchern der unteren und mittleren Güteklasse gesetzt. So kamen in Schüben abertausende von preiswerten Titeln ins ZVAB, die Kollegen konnte das nicht freuen.

Wölki hatte erkannt, daß bestimmte Routinearbeiten im Antiquariat sehr gut zu delegieren sind, wenn man nur will. In Klammern sei bemerkt, daß sich das alles noch vor den w+h-Zeiten abspielte und wirklich jeder Titel einzeln neu eingegeben werden mußte, den man anbieten wollte.

Ich bin Frauen gegenüber im Lauf eines langen Lebens, das sich allzu oft fast nur um diese merkwürdigen Wesen gedreht hat, sehr realistisch und skeptisch geworden. Es bedarf für mich keiner Bestätigung, wenn uns die Arbeitslehre sagt, daß Frauen bestimmte Routinearbeiten je lieber und zuverlässiger ableisten, desto geistloser sie, diese Arbeiten, ihrer Natur nach sind. Das Weib ist in diesem Sinn der ideale Titelaufnehmer, Buchbeschreiber, Buchscanner. Nein, liebe Kollegin aus Kiel, ich meine das nicht pejorativ. Es ist einfach so.

Hier liegt der tiefste Grund für die heillose Quälerei, der sich der mittlere Antiquar unterwirft, wenn er durchschnittliche Titelaufnahmen fertigt - es widerspricht dem männlichen Naturell völlig. Er kann weit weniger gut als jede Frau in Parallelwelten leben und, während er Titelaufnahmen abspult, an ganz andere Dinge denken, sich in zweite Lebenswelten versetzen. Er konzentriert sich, das  ist oft eher seine Schwäche als seine Stärke, nur auf eines, auf das, was er mit allen Sinnen und ohne Ablenkung tun will, tun muß.

c)
Vom Edelantiquarat zum Kistenschieber - keine Verbindung
Verstehen wir uns recht: Es ist eine wundervolle, lohnende Sache, sich interessanten Büchern, kniffligen oder auch schlichten Problemen der Geistesgeschichte, ästhetischen Graphiken, verheimlichten Autoren, anspruchsvollen Fachkunden zu widmen. Wer das nicht mag, sich nicht au fond wohlfühlt, wenn Arbeiten dieser Art anstehen, der hat seinen Beruf verfehlt und möge das Antiquariat fliehen wie der Teufel das Weihwasser.

Was nicht bedeutet, daß man es immer gleich können muß. Die glücklichsten Kollegen sind die Stümper in ihrem Fach, die Naiven, die sich trotz ihres Unwissens redlich ins Getümmel der Fragen und Probleme stürzen, Dilettanten im besten Sinn, wenn sie nur echtes Interesse haben an dem Universum des Antiquariats.

Im oberen, dem Edelbereich unseres Gewerbes sind Arbeiten dieser Art selbstverständlich. Der Antiquar kämpft sich mit Handbücherei, Internet und viel eigenem Gespür durch eine Reihe nicht immer teurer, wohl aber interessanter Titel - und ist zufrieden dabei. Beruf und Berufung, Neigung und Fähigkeiten stimmen überein, gerade die bei uns übliche Halbgebildeten, die vielen Abbrecher aus dem Unibereich, die Autodidakten auch aus Volksschule und Gewerbe, sie können ihr breites, aber fragmentarisches Wissen gut zum Einsatz bringen. In dieser Hinsicht wenigstens: Heile Welt des Edelantiquariats!

                                                                                                                                                                  Im ganz unteren Bereich wuseln Wölkis Damen allein oder zu mehreren vergnügt vor sich hin. Sie ahnen oft gar nicht, was ihnen entgeht, für sie sind Bücher recht interessante Objekte, die man eher selten lesen, wohl aber exakt bibliographieren, bepreisen und ins Regal stellen soll. Diese erstaunlich große Unterschicht des Antiquariats ist nach oben hin - auch zur Mitte - völlig abgeschottet. Auch mittlere Kollegen wissen meistens gar nicht, wie es dort zugeht.

Zurück zu Wimbauer. Er hat, ich vermute das mal ins Blaue hinein, auf neun ganz gewöhnliche, von der Arbeitstechnik her sterbenslangweilige, unter- und mittelpreisige Bücher eines, nur eines, das eine noch so kleine Denkleistung von ihm verlangt, die über Wölkis Kuhwiese hinausgeht. Ansonsten gilt es, exakt, ohne Irrtümer oder Fehleinschätzungen, zugleich aber mit inhaltsbezogenem Denkverbot belegt, die neun anderen Titel abzuarbeiten.

Diese Fron, die den Alltag des mittleren Antiquars weitgehend bestimmt, ist dem Edelantiquar völlig fremd, der untere Antiquar dagegen sieht sie als selbstverständlich an.

Anmerken wollen wir, daß es nach meinem Verständnis etwa 100 Edelantiquare und etwa 200 untere Antiquare geben mag. Die restlichen, sagen wir etwa 500 Antiquare, sind mittlere Kollegen. Auch wegen diesen Ungleichgewichten in der Typenverteilung ist es so notwendig, über Wohl und Wehe des mittleren Antiquariats zu sprechen.


d)
Eine zweite Genossenschaft mit Blickrichtung Neubuchhandel
Ich hatte vor vielen Jahren eine Genossenschaft im Antiquariat angedacht nicht etwa nur zum Erwerb des ZVAB. Wir bekamen dank Plurabelle und den damals noch recht unbekannten Yahoo-Gruppen in USA ja nur ganz vage Informationen herein über neue Genossenschaften der Antiquare in England und in den USA - Tomfolio hatte damals einen Zeitvorlauf von nicht mehr als 3 Monaten vor uns. Keiner von uns wußte, was wir von dort übernehmen, was wir lernen konnten. Als Alt68er schien es für mich immer selbstverständlich, daß eine umfassende Berufsorganisation auf sozialer, kooperativer Grundlage geplant werden sollte, mein Vorbild war der Schweizer Duttweiler und seine Migros.


Heute wissen wir mehr. Von allen Seiten sind wir im mittleren Antiquariat unserer Unabhängigkeit beraubt worden, wir laufen an mehreren Gängelbändern, sind auf Gedeih und Verderb von privaten Dienstleistern abhängig, ich brauche die Misere hier nicht zu referieren. Ich will auf eine ganz neue Denkrichtung hinaus, an der teilzunehmen ich Sie einlade.

Wie wäre es, wenn wir in der jetzigen Lage einmal ganz weit zurück blicken würden, in das Nachbarfeld unseres Gewerbes, hinüber zu den Neu-Buchhändlern des vorletzten Jahrhunderts?


e)
Das Grossohaus der Antiquare als Aufgabe einer neuen Genossenschaft
Es geht, wir sahen es oben, um die Entlastung des mittleren Antiquars von Routinearbeiten, die seiner unwürdig sind und die - noch wichtiger - eine zentrale Stelle weitaus effektiver erledigen könnte, billiger, mit besserer Absatzförderung, schneller, zuverlässiger, gleichmäßiger im Service, pünktlicher und sicherer in der Abrechnung.

Der mittlere Antiquar muß seine Arbeit endlich konzentrieren können auf

*seine Spezialgebiete,
*Bearbeitung mittel- und höherpreisiger Bücher,
*gut durchdachte Kataloge und Listen.
*Kundenbetreuung und, notabene, besseren
*Ankauf, der heute oft aus Zeitnot im Argen liegt.

Dies alles kann geschehen, wenn die Antiquare gemeinsam ein zentrales Haus einrichten, das

*Titel im unteren und mittleren Preis-Sektor

serienweise bearbeitet, lagert und verschickt. Dabei sollte von Neubuchhandel die Taktik übernommen werden, daß der einzelne Antiquar seine Namenshoheit behält - in Titelaufnahme, Fakturierung und Adressierung der Sendungen tritt das Grossohaus ganz zurück. Es arbeitet gewissermaßen unsichtbar im Auftrag der Kollegen.

Ausblick:
Alle 14 Tage sammelt ein Bücherwagen, auch er stammt aus der Geschichte des Neubuchhandels, die neuen Titel im unteren und mittleren Preisbereich, die der Antiquar nicht selbst bearbeiten will, auf großräumigen Rundfahrten ein. Titelaufnahme, Zustandsangaben, Wertfestsetzung, Einstellung in die Datenbanken ist Aufgabe des Grossohauses. Es rechnet per EDV alle 14 Tage mit jedem einliefernden Kollegen ab.

Und endlich hat Antiquar Wimbauer mehr Zeit für das, was ihm wirklich am Herzen liegt. Und Kollege RFMeyer lichtet seine schönsten Titel noch sorfältiger ab, zimmert ein zweites Labyrinth zu seiner Webseite hinzu, mitsamt Ariadnefaden, Kollege Plocher schafft sich noch ein weiteres Antiquariatsbüsi an und schreibt die Biographie von Jean Paul neu.

Alle sinds zufrieden. Man muß nur anfangen!

Dienstag, 14. September 2010

Wege aus dem Webseitenelend der Antiquare

Die Ausflüge der Antiquare in die Welt des Internet sind so unterschiedlich wie das Gewerbe selbst, das darf uns nicht  verwundern. Aber es gibt eine Reihe von Tu-es, durch die sich manche - eher wenige -  Kollegen auszeichnen und sehr viele Tu-es-nicht, mit denen wir Antiquare unsere Kunden ärgern, als sei es unter uns so abgesprochen.

Es geht mir weniger um Kleinigkeiten. Zwar kann eine durchgehend viel zu große Schrifttype den Leser zur Raserei bringen, bis der Gequälte hurtig aus der eigensinnigen Seite flieht, zwar können die Grade der ästhetischen Folter durch falsche Farbenwahl den Nutzer zu gequältem Stöhnen veranlassen, und die offensichtlich immer noch weitverbreitete schlechte Titelbeschreibung, nebst Verhunzung durch Abkürzungen, widerliche Rechtschreibfehler usw. ist auch keine Labsal. Aber das alles ist, um mit Dr. Wrenzchen in der "Familie Buchholz" zu sprechen, ja alles doch nur äußerlich.

Weitaus schwerer wiegen die psychologischen und taktischen Fehler in vielen Antiquariats-Webseiten. Einige davon haben wir gestern, in den wenigen vorgestellten Fällen, schon erkennen können, ich erwähne nur

* die Bevormundung, das Unmündigmachen, das Überfahren des Kunden
* die Angeberei, hemmungslose oder (noch schlimmer) schamhaft nur angedeutete Renommisterei.
* Unfreundlichkeit, Barschheit, fehlende Höflichkeit, keine Kinderstube im Umgang mit dem Kunden
* jene (meine Einschätzung) Roßtäuscherei, die das Präsentieren des Zugangs zu einer der großen, allgemeinen Datenbanken als "mein Katalog" darstellt
* die unerträglichen Sprüche, wenn der Antiquar Ratschläge, Übersichten, Einführungen von sich geben zu müssen glaubt
* die manische Künstelei im Seitenaufbau, das "neckische" Labyrinthspiel, die zu lösenden Rätsel in der Navigation

Spiegelbildlich hierzu lassen sich die fehlenden Dinge aufzählen, zu denen gehört

* Wärme, Mut zum (wenn auch holperigen) individuellen persönlichen Ton
* rücksichtsvolles, einfühlsames Begleiten des Kunden ohne jede Überheblichkeit
* Wiedergabe eigener Erfahrungen und Beobachtungen im Gewerbe

Dann gibt es noch einige wichtige Punkte außerhalb der großen Linie.

Dazu rechne ich mangelhafte Belehrungen im Rechtsverkehr. Es ist mir unbegreiflich, daß sich die Verbände, Vereine, Arbeitsgemeinschaften und Genossenschaften unseres Gewerbes offenbar immer noch nicht durchsetzen können in diesem doch administrativen, für jedermann einsehbaren, verstehbaren Punkt. Man muß die neueste Rechtslage zur Kenntnis nehmen und in Gottes Namen den unverdaulichen Wust, der uns da aus Berlin vorgeschrieben wurde, geduldig und ziemlich wörtlich ausdrucken. Tut man das nicht, lockt man Anwaltshyänen der schlimmeren Sorte herbei. Hat sich das denn immer noch nicht herumgesprochen?

Unter den etwa 50 Antiquariatsseiten, die ich mir bisher angetan habe (eine andere Formulierung kann ich leider nicht wählen), sind die beiden besten die des Antiquariats Orban & Streu in Frankfurt, 
und des Kollegen Schlick in Zürich. 


Wenn mich das große Grauen packt angesichts der meisten Kollegenseiten, dann erhole ich mich auf diesen beiden Inseln. Die Webseitenbauer möchte ich, sofern es Damen sein sollten, umarmen vor Freude. Welche Wohltat ist eine gelungene Webseite für den Besucher!

Im Kern ärgert mich am meisten, ich gestehe es, unter den Fehlern auf unseren Antiquariatsseiten die notorische  U n f r e u n d l i c h k e i t.  Vielleicht steckt dahinter ein Rest jener - an sich nicht falschen - Berufsrolle vom etwas granteligen, schweigsamen und seine Weisheit nicht an jeden verbreitenden Ladenantiquar. Das läßt sich aber, aheu, merke auf denn, gar nicht ins Netz übertragen. Der Kunde kommt, man darfs ihm nicht übelnehmen, vorsichtig und ängstlich auf der Webseite des Antiquariats an. Er hat allerlei Befürchtungen und Reserven. Ich muß nun als Antiquar ihn an die Hand nehmen, ihm einen guten Kaffee kochen, in den alten Ledersessel bitten, ihm ins Auge blicken und ihn fragen, was er denn gern wolle.

Es geht nicht darum, eine "Einheitswebseite für Antiquare" zu entwerfen, obgleich für unsere kleineren Kollegen sowas in der Art schon recht nützlich wäre. Wir müssen vielmehr Grundlinien, fast immer gültige Regeln, Einfälle und Ideen sammeln, speziell auf unser Gewerbe zugescvhnitten - und die dann auch durchdiskutieren.

Montag, 13. September 2010

Die Kundenmißhandlung in unseren Antiquariatswebseiten, Folge 1



Würde Günther Jauch, den ich sehr schätze und dessen Quizsendungen ich niemals versäume, ein Millionenspiel für Antiquare veranstalten, dann könnte die Frage zur Million sein "Welcher Antiquar veröffentlichte auf seiner Webseite längere Zeit ein großes Foto, auf dem er splitternackt am Bücherregal zu sehen war?"

Nun sind die Zeiten der Hess-Runde lang vorbei und ich wüßte wirklich gern, wer die Antwort auf Anhieb parat hätte. Notabene handelte es sich nicht um einen Aprilscherz, auch nicht um eine kurzlebige oder unbedeutende Firma, sondern um einen zurecht hochgeschätzten, sachkundigen Kollegen aus Zürich. Ich fand das damals sehr sympathisch, habe das Bild auch noch irgendwo in meinen Archiven.

Dies ist die extremste und zugleich recht angenehme Beantwortung der Frage, wie Antiquare mit der Selbstdarstellung in ihren Webseiten umgehen. Ansonsten habe ich - weit weniger erfreulich - aus einem (im inzwischen sanft verschiedenen Blog "alteskrokodil") veranstalteten Webseitentest äußerst peinliche Beispiele von Arroganz und Angeberei gewisser Kollegen in Erinnerung, seltsamerweise auch und gerade von solchen, die es nicht nötig gehabt hätten, sich dergestalt zu profilieren.

Wir haben gesehen, daß durch die "Arkaden"-Idee der Besuch der Antiquariatswebseiten in ganz neuer  Weise intensiviert werden kann, wenn mans nur pfiffig und vom  K u n d e n  her organisiert. Indem wir aber die Käufer massenhaft zum Besuch unserer Einzelseiten veranlassen,  muß der Gestaltung der Antiquariats-Webseiten eine größere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Weniger vornehm, im Mulzer-Sprech formuliert: Der bisherige Schlendrian muß ein Ende haben, sorgfältigere Webarbeit ist subito für jeden Kollegen angesagt!

Auf die technischen Aspekte, die leider die meisten Antiquare viel mehr interessieren als die psychologischen, kommen wir später zu sprechen. Heute geht es um eine erste Annäherung an das Problem und die Chance der  S e l b s t d a r s t e l l u n g  des Antiquars auf seiner eigenen Webseite.

Nach bewährter Manier gehen wir das in einem ersten Schritt feuilletonistisch an. Ich greife eine zufällig ausgewählte Anzahl von Webseiten heraus und bespreche sie kritisch im Hinblick eben auf die Selbstdarstellung des Chefs bzw. der ganzen Firma. Durch dieses Verfahren erhoffen wir uns einen ersten Einblick in die bei dieser Frage auftretenden Probleme und Chancen.

Es ist mir hier, bei diesem sensiblen Gegenstand, besonders wichtig vorauszuschicken, daß ich lediglich meine persönliche Einschätzung zum besten gebe, daß ich die Webausschnitte nur im Zusammenhang mit der Lösung unserer beruflichenSachfrage heranziehe und veröffentliche, daß also alle Urheberrechte an den Bildern, an der Webseitengestaltung usw. bei den Kollegen liegen. Ich veranstalte also auf die Schnelle einen  T e s t, im Interesse der Antiquare und der Kunden, und dabei muß sich der gestreßte Kollege nolens volens allerlei gefallen lassen.


1.
http://www.mon.de/dus/ganseforth
Eindringlich warnen möchte ich vor der Inanspruchnahme von Web-Brücken- und Sammeldiensten, Webseitenverlinkern und -vermittlern auf lokaler oder sonstiger Ebene. Das ist teurer Mumpitz (kostet er nichts, ist er noch mieser) und führt zu peinlichen Ergebnissen. Es ist psychologisch verheerend, wenn das Antiquariat Ganseforth in Düsseldorf zwar eine hübsche, eigene Webadresse hat, dann aber kümmerlich-schäbig im Rahmen eines Nürnberger "Marktplatz Mittelstand" abgerufen werden muß, mit Zwangsscrollen nach unten und unsäglicher Normgestaltung. Das aber nur am Rande. Es geht uns hier um etwas anderes:

Es darf nicht etwas beim Kunden  v o r a u s g e s e t z t  werden, was dieser uns gar nicht mitgeteilt hat, was wir von ihm gar nicht wissen können. Ich soll den Kunden nicht dumm- und totschwätzen, indem ich ihm etwas  s u g g e r i e r e. Das erniedrigt den Kunden zum Unmündigen. Ich zitiere:


"VIELEN DANK, DASS SIE SICH FÜR UNS INTERESSIEREN"

Das dann noch Großbuchstaben am allerersten Anfrag der Webseite.

Dem Versuch, auf unseren Webseiten den Kunden zu überschwätzen und es besser zu wissen als er, werden wir in weitaus gravierenderer Form noch öfter begegnen.


2.
http://www.bilker-antiquariat.de/

Frau Kiel im Bilker Antiquariat überfällt den Kunden schon auf der Eingangsseite (!) mit ihren AGB, die übrigens einer textlichen Nachprüfung nicht standhalten. Es ist das psychologisch denkbar  ungeschickt und erinnert an den schwarzgekleideten Wachmann am Eingang des Mediamarkts, der jeden Besucher aufdringlich mustert. Der Umgangston auf der Webseite ist viel zu kurz, unfreundlich, von fast beleidigender Knappheit: "Finden Sie mit der Detailsuche gezielt den gewünschten Titel." - "Klicken Sie auf einen Sachgebietsnamen, um sich alle Titel... anzeigen zu lassen" -

Ihr Umgangston wird zur Zumutung, wenn sie dem rat- und wegsuchenden Kunden diesen überraschenden Fakt mitteilt: "Sie können sich bei Map24.de den Standort des Antiquarts anzeigen lassen und auf Wunsch eine Route planen." - Dies natürlich ohne Link dorthin, ohne kleines Google-Kärchen,  n i c h t s.

Besonders sensibel ist der Text auf der Kontaktseite auszuwählen. Frau Kiel knallt uns da einfach nur den Adressentext an den Kopf, in einem Anflug von Entgegenkommen hat sie wenigstens die anklickbare Webadresse blau gefärbt.

"Sicher werden Sie in unserem Sortiment fündig." steht an Ende des (harschen) Warenkorbtextes. Das ist  dem Kunden gegenüber menschlich gesehen "unmöglich". Denn der kann ja auch ratlos einem leeren "Warenkorb" gegenübersitzen.

Die ganze Webseite ist nach meiner persönlichen Einschätzung psychologisch eine Katastrophe. Merke: Wir sind in einem Antiquariat - nicht auf dem Kasernenhof. Wer meint, den Kunden kränkend knapp abfertigen zu sollen, der hat den falschen Beruf erwählt.

3.
http://www.antiquariat-clement.de/
Die bewegte Eingangsseite ist so charmant und stilsicher konzipiert, daß wir uns ausnahmsweise diese "Bewegung" gern gefallen lassen. Ansonsten wären solche Mätzchen tödlich. - Aber dann kündigt sich Schreckliches, zunächst nur leise grollend von ferne, an, denn wir lesen: "Warum wir das Bücherschicksal von Bonn sind...?"

Zusammen mit den weiter unten schon sichtbaren, fürchterlichen Fettdruck-Buchstaben ahnen wir, daß es hier ein Problem geben wird. Zitate:  "Doch oh Wunder!  Keine mühevolle Recherche war nötig, denn Madame Clement und ihr geschätzter Mitarbeiter kannten jedes einzelne ihrer Bücher." - "Kein Professor, kein Student, kein Journalist, kein Politiker, kein Hobbyleser blieb vom stillen Ruf der Bücher verschont." - "Warum wir so gute Bücher haben..."?

"Sehen Sie, viele unserer Kunden fühlen sich durch eine lange Lesepartnerschaft zutiefst mit uns verbunden.  Schon mehr als zwanzig Jahre begleiten sie die schönen Bücher der Madame Clement.  Dieser Ruf hallt durch die Society der Bibliophilen aus ganz Europa:  Wer immer eines seiner geliebten Exemplare veräußern möchte, wendet sich an uns. "

Nun dachte ich zunächst an eine hübsche Selbstveräppelung, ein selbstironisches Versteckspiel, das die Antiquarin hurtig auflösen würde...  Die meinen es aber ernst in Bonn!  Nach solcher Angeberei, auf dem Fischmarkt in Altona gerade noch angängig, verwundert auch die Webseiten-Erbsünde nicht mehr, die sich hinter dem harmlosen Satz: "Besuchen Sie uns im Internet unter www.zvab.com und www.abebooks.com.  " verbirgt. Welche Links verblüffenderweise auf das *allgemeine* ZVAB und Abebooks verweisen, was gewiß nicht im Sinn der Erfinderin war.

"Was auch immer Sie suchen, Ihr Buch wird Sie finden!" - "Warum Sie bei uns fündig werden...?"  "Kein Wunsch bleibt offen!"  Diesen Fehler sahen wir schon unter (1). Ich darf den Kunden nicht als unmündiges Kind behandeln, um es milde auszudrücken.

4.
http://www.oldbooks-bonn.com/
Nichts gegen Minimalismus. Was uns aber Sawhney hier bietet, ist nun wirklich unfreundlich und rätselvoll. Der Antiquar sollte sich und sein Geschäft nicht - kundenpsychologisch gesehen - auf eine Suchmaschine reduzieren. Wir sind keine Giraffenkommoden, sondern lebendige Menschen! (Die Ergebnisse der Suchmaschine sind nach meinem Dafürhalten schauerlich-schrecklich, ich lasse das Testbild ohne jeglichen Kommentar seine jammervolle Witrkung tun).


In Klammern bemerkt: Auch dieser Satz, wenn er wie hier auf der Eingangsseite steht, stellt eine ganz leise Vergewaltigung des Lesers dar: "Indem Sie diese Webseite verwenden, bestätigen Sie, dass Sie die allgemeinen Geschäftsbedingungen gelesen und verstanden haben und damit einverstanden sind."

Ansonsten sind die spärlichen Texte recht freundlich gehalten, immerhin. Anhand dieser Webseite lernen wir, daß eine - durchaus nicht unfreundliche und formal nicht fehlerhafte - allzu knappe Gestaltung einer Antiquariatsseite in hohem Maß, wenn allemal auch ohne Absicht,  b e l e i d i g e n d  sein kann dem Kunden gegenüber. Kollege Sawhney ist gewiß ein ehrenwerter Mann, aber ihm muß gesagt werden, wie schrecklich der Eindruck seiner Webseite auf den ernsthaften, durchschnittlichen Kunden sein wird.

Freilich hülfe bei *diesen* Titelaufnahmen auch eine gefällige Seite nicht mehr weiter, aber lassen wir das.


5.
http://buecheretage.de/impressum.htm
Auch die Bücheretage in Bonn geht minimalistisch vor. Die Startseite ist zugleich das Impressum, das wirkt kundenunfreundlich. Ob eine lieblos zusammengestoppelte Montage aus Institutsregalen (nicht einmal die Perspektiven stimmen) dekorativ daherkommt? Eine Registerkarte "Produkte und Sachgebiete" läßt uns nachdenklich zurück, was für "Produkte" das denn seien?
Wir werden es   nie erfahren.                                                                                                                  

Der Kollege hat offenbar Datenbankeinträge aus einer zentralen Gemeinschaftsdatenbank (da kann ich mich aber irren) umgebaut, dadaistisch-absurd und verwirrend eingefärbt und so scrollintensiv in den Raum geblödelt, daß Kollege RFMeyer vor Neid noch erblassen muß. Die Lehre vom weiten Raum auf die Spitze getrieben oder: Wie ärgere ich den webseitenlesenden Kunden...

Hier haben wir eine Wiederholung des psychologischen Grundfehlers, der darin besteht, daß der Antiquar überhaupt nichts sagt über sich, seine Firma, auch nichts vom Antiquariatsbüsi berichtet, kein FKK zwischen den Regalen veranstaltet, sich aber auch nicht  e i n  erklärendes, persönliches Wort abringen mag.

Mein persönlicher Gesamteindruck: Ein von stummen Robotern geführtes,  e i s k a l t e s  Antiquariat aus einem futuristischen russischen Film.


(Fortsetzung folgt)


Das erste Foto, mit dem netten Antiquariatsbüsi, ist Eigentum einer britischen Webseite. Ich habe den Link dazu verloren, bedanke mich aber gern für die Ausleihmöglichkeit.

Sonntag, 12. September 2010

Webseitenverbund der Antiquare: Technische und sachliche Bedingungen

Ist eine teilautomatisierte Sachgebietsabfrage der Antiquariatsseiten technisch und sachlich möglich? Dieser Frage bin ich heute vor dem Sonntagskaffee einmal nachgegangen, hier die Ergebnisse. Ich bitte um Verständnis, daß ich im Rahmen meiner Arbeit, die Sie als berufsbezogenen  T e s t  sehen sollten, auf Empfindlichkeiten und zarte Sitte nicht Rücksicht nehmen kann. Bei mir wird offen geredet, das haben Sie ja inzwischen gemerkt. Anders kann ich nicht arbeiten. Nettigkeiten sagen wir uns nachher dann wieder, jetzt nicht.

Die Grundidee behandle ich hier nicht in den Einzelheiten, nur ganz generell sei daran erinnert, daß von einer sachlich geordneten Zentralseite aus ("Portal") eine Vielzahl von Informationen geboten werden sollen,  i m m e r  bezogen auf das jeweilige Fachgebiet. Dazu gehören auch Links  i n  die Webseiten der Antiquariate  h i n e i n, auch sie also immer nur sachgruppenbezogen. Denn mit der Weitergabe *allgemeiner* Webseitenadressen der Kollegen ist nichts erreicht - nichts!

Ich schreibe hier ausnahmsweise alle Links aus, damit der technische Aufbau der jeweilgen Seite deutlich wird. Fangen wir an.

Kollege RFMeyer bastelt seine Webseite, wiewohl angefüllt mit erfreulichen und seltenen Titeln, beharrlich in viel zu großer Schrift, er nötigt seine Besucher dadurch zu Scroll-Fingerübungen der ärgerlicheren Art. Der biedere Seitenaufbau, zu dem auch ich von Haus aus neige, ermöglicht eine sehr elegante Verlinkung
http://www.meyerbuch.com/buchsuch.asp?xsuchwort=Recht+Jura
Der Link braucht keine regelmäßige Nachbearbeitung, da er aus einer eigenen Suchmaschine generiert wird und immer nur wirklich verkaufbare Titel anzeigt. 

Bleiben wir in Berlin. Antiquariat Thomas Haker hat die meisten Sachgebiete schon im ersten Abruf alphabetisch untergliedert, dadurch entsteht keine gute Verlinkungsmöglichkeit. Seine - zahlreichen - Titel scheinen mir, so mein leiser Verdacht, aus einer großen allgemeinen Datenbank generiert, wenn das so ist, verbirgt er es aber geschickt. Bei seinem sehr ergiebigen Bestand tut es weh, daß er sich zum Darstellen in Katalogform nicht durchringen kann und dem Kunden öde Teilbröckchen aus dem Verfasseralphabet an den Kopf wirft.
Was er unter "Literatur der Wissenschaften" versteht, weiß nur er allein.
http://www.thomashaker.de/data/recht_jura_rechtswissenschaften_a.php

Kollege Düwal richtet uns nach solcher Enttäuschung wieder auf, Dank sei ihm gesagt. Formal wie inhaltlich eine saubere, tadellose Webseite; der Bereich "Recht" ist elegant abzurufen. Die ideale Antiquariatsseite zur Sachgebiets-Verlinkung! Da er überwiegend Titel des Spitzenbereichs anbietet, ist die Vereinzelung der Einträge sinnvoll; einen klassisch aufgebauten Katalog braucht er da nicht.
http://www.duewal.de/Kataloge/recht.html

Sehr gut gefällt mir die Arbeit des Kollegen Schlick. Herausgehobene Titel versammelt er in Galerien
http://www.schlick.ch/s/galerie/gal_recht.php ,
Gängigeres dagegen ordnet er in eine alphabetische Liste ein. Könnte er sich doch zu gegliederten Katalogen aufraffen! Aber wir dürfen mit seiner Zürcher Webseite schon so sehr zufrieden sein
http://www.schlick.ch/s/kat/katphp/recht.php
Sachgebiets-Verlinkungen sind hier natürlich sehr leicht möglich, geradezu ideal.

Kollegin Martina Berg hat sich ein ungefälliges, trotz der Deckelbildscans kalt und harsch wirkendes System aufgebaut, für dessen Benutzung Scroll-Übungen erforderlich sind. Hier liegt formal manches im Argen. Trotzdem muß man anerkennen, daß hier neuere Gebrauchtbücher im unteren und Mittelbereich mit Fleiß und nicht ohne Sinn angeboten werden. Man sollte Kollegin Berg mal in Sachen Webseitengestaltung zur Brust nehmen. Vor allem die Pünktchen-Verkürzung der Titelaufnahmen, über die ich zuletzt auf der ABA-Webseite (USA) seufzen mußte, ist scheußlich. Trotzdem: Das könnte eines Tages eine gute Webseite werden. - Verlinkung problemlos möglich:
http://www.martinaberg.com/antiquariat/Buecher-Recht-und-Gesetz.html

Kollege Holder weist uns auf ein anderes Problem hin: Was machen wir, wenn dem Antiquar die Sachgebiets- oder Feldereinteilung ganz einfach falsch geraten ist? Soll ich, darf ich das bei der Verlinkung korrigieren? Ganz offensichtlich ist ihm die Einteilung durcheinandergekommen. Folgendes Sammelsurium, um nicht zu sagen Brimborium kann ich nicht, wie Holder es uns vorschlägt, unter "Recht" verlinken:
http://holder.de/sys08.htm#Recht
Die elementare Scantechnik, das Vermeiden allzuvieler - und dann noch klosettschüsselgrauer - Leerräume, die Wahl einer gefälligen Schrift, das alles ist Holder noch Hekuba. Soll ich Seminare zur Webseitengestaltung für Antiquare einrichten? Spaß würde es mir schon machen.

Antiquar Kisch knallt uns unter der Spitzmarke "Recht" eine, noch dazu alphabetisch nicht geordnete, Liste von mehreren hundert Abebooks-Einträgen an den Latz. Das ist nun wahrlich die allerunterste Form des Buchanbietens auf Webseiten, eher schon eine Kundenbelästigung. So nicht!
http://www.abebooks.de/servlet/SearchResults?vci=1047621&vcat=Recht&vcatn=Recht

Theodor-Storm (Stormchen) liefert eine seltsame, selbstgestrickte Fachliste ab, die sich hurtig verlinken läßt

Leider sind aber seine Vorstellungen einer sinnvollen Titelaufnahme merkwürdig; er ersetzt die schon erwähnten drei Pünktchen durch ein stereotypes "weitere Informationen" und treibt damit den Kunden zur Raserei. Mein Gott! Mir hat das ständige Hin- und Herklicken den Sonntagmittag verdorben.
http://www.storm-antiquariat.de/kataloge/wissen/geisteswissenschaften/recht/

Bei den großen Antiquariaten, die sich Recht (und Staat und/oder Wirtschaft) als Spezialgebiet ausgewählt haben, ist eine Verlinkung in die Webseiten hinein nicht gut möglich, aber auch nicht notwendig. Hier herrschen individuelle Systeme der Gliederung und Darbietung vor, in die sich der Kunde einarbeiten muß. In der Regel wird man einfach zur Webseite verlinken, das dann aber entsprechend hervorheben.

Fachantiquariate verdienen jede Unterstützung, ebenso aber auch der Allgemeinantiquar, der ernsthafte, gute Fachgebietslisten erstellt. Ich sehe hier keinen Gegensatz, beide Seiten sind zu fördern und zu loben. Jeder Antiquar, der seine Titel nicht einfach nur querbeet in die großen Datenbanken hineinhaut, ist eine Wohltat.

Fassen wir diesen Kurztest zusammen: Die Fachgebietsvernetzung, der geordnete Aufruf von Sachgebieten in Form einer "Arkaden"-Abfrage ist  s e h r  gut möglich, wobei allerdings eine äußerst genaue Abgleichung der Sachgebiete unserer neuen Systematik - siehe den Blogbeitrag von heute früh - mit den Einteilungen der Kollegen gewährleistet und hergestellt werden muß.

Das geht nur dort nicht, wo sich jene (meine persönliche Einschätzung:) "gelinde Roßtäuscherei" eingeschlichen und eingefressen hat, die darin besteht, daß - ob verhehlt oder offen - einfach nur Datenbankabfragen auf der Webseite eingestellt werden. Ansonsten aber: Ans Werk!

Ich verwette meinen Sonntagshut, daß die "Arkaden"-Abfragetechnik zu einer Neubelebung der Kollegenwebseiten führen wird. Und das kann ja nur von Vorteil sein. Manche Kollegen werden freilich auf diese Weise Freud und Leid der direkten Kundenbetreuung wieder kennenlernen, jenseits von Datenbank und Warenkorb. Aber auch das wäre uns allen zu wünschen.

Ich sehe schon mittelfristig eine reale Chance, mit meinem System die großen Datenbanken auszuhebeln, Rat und Mitarbeit der Kollegen vorausgesetzt.



Ein Hinweis am Rande: Wer sich durch meine Texte gekränkt fühlt, möge mir das direkt mitteilen (mulzerbooks (at) t-online.de). Ich bin zu Korrekturen fast immer gern bereit.



Die Ringelreihen-Bilder sind meines Wissens frei (das farbige von Thoma, die Fotografie aus der Jugendbewegung)

Samstag, 11. September 2010

Sachgliederung im klassischen Antiquariat - ein Vorschlag

Die neue Sachgliederung ist fertig und wird Ihnen in ihrer oberen Ebene hier vorgestellt.

Die Entstehungsgeschichte ist recht verzwickt. Vor etwa 15 Jahren hatte ich mir mit erheblichem Portoeinsatz ein halbes Tausend Kollegenkataloge aus dem Zeitraum 1990-1995 beschafft und nicht nur nach Themen und Untergruppen geordnet, sondern darüberhinaus Stückzahlen und Erscheinungszeiten der angebotenen Titel  mit den Themen verbunden, "korreliert". Das ergab meine erste Sachgebietsliste für das Antiquariat, eine plakatgroße, vollgekritzelte Fleißarbeit, von der ich heute noch zehre. Dazu nahm ich nun meine eigene Betriebsstatistik, wenn ich den roten Faden durch mein Chaos so nennen darf.


Man muß wissen, daß ich in einem Anfall geistiger Umnachtung vor mindestens 20 Jahren auf die Idee kam, nicht etwa seltene und teure, sondern - billige und schäbige Bücher zu sammeln. Da ich das Glück hatte, zwei tüchtige und faire Kollegen als Abnehmer der besseren Bücher stets zur Hand zu haben, konnte ich mir den Luxus leisten, meine Idee zu verwirklichen. In Frage kamen nur nicht-wertvolle Bücher vor 1945.

Heute sind es rund 25.000 Titel, nicht viel, wenn mans mit Kollegen vergleicht, aber des Wahnsinns fette Beute in Anbetracht der Tatsache, daß das eine Ansammlung von vermülltem Schrott, von staubbedeckten, meist schäbig gehefteten Broschüren, Schulbüchern, Verwaltungsschriften der skurrilsten und abseitigsten Art darstellt. Nicht nur, daß keine Seele die meisten dieser Titel kennt oder gar kaufen möchte - die gute Hälfte kommt aus einem inzwischen halbvergessenen Kulturkreis, in dem die eigenen deutschen Bücher von Jahr zu Jahr weniger gelesen werden können. On ne parle pas allemand.

Stichproben ergaben, daß gut ein Zehntel der Titel nur an einer oder an überhaupt keiner deutschen Bibliothek nachzuweisen sind. Wenn mich also der Herzinfarkt ereilt und das Fürsorgeamt mit dem Kammerjäger einige Lastwagen zur Müllverbrennung karrt, dann gehen auch etliche hundert ganz verschollener Schriften endgültig verloren.

Im Ernst, man muß einen Sinn fürs Kafkaeske haben und sich auf, neben und unter Bücherstaub wohlfühlen, wenn einer ein so groteskes Steckenpferd reitet wie ich. Die guten Titel gehen sofort außer Hause, den Dachbodenrümpel, alle Seltsamkeiten bewahrt er auf, durchschnittliches Erscheinungsjahr übrigens 1898. Das muß man mir erst mal nachmachen.

Ich erzähle davon nur, weil ich natürlich immer wieder Anläufe zur Sachgebietsordnung anhand meines eigenen Materials gemacht hatte. In Staubwolken, von seltsamen, etwas verdächtigen kleinen Käferchen umflattert, von Bücherspinnchen begangen, hustend (aber glücklich) sortierte ich während solcher Ordnungsanfälle meine Skurrilitäten nach Sachgebieten. Ich kam selten weiter als bis zu einer Zimmerhälfte (von5), dann gab ichs wieder auf. Die Käferchen und Spinnlein waren es zufrieden, und wer hätte mir auch was abkaufen mögen? Ich war vor Zeiten eine Art Schrecken des SdD-Programms, da ich dauernd Titel anbot, die der betreffenden Bibliothek zwar fehlten, die sie aber ganz und gar nicht anzukaufen gedachte. Kurzum - mein Büchermuseum nehme ich mit in die Müllverbrennung.

Immerhin kann es nicht schaden, wenn man die Sortierergebnisse zu den Titeln vor 1945, meist sogar vor 1920, im Kopf hat. Denn das ist ja auch  j e n e   Literatur, von der ich behaupte, daß wir sie überwiegend deshalb nicht verkaufen können, weil die Titelkenntnis der Kunden so gering ist.

Was mich überrascht hat diese Woche: Die von mir mit großen Erwartungen aus dem Netz kopierte

Klassifikation des GBV,

im Umfang eines mittleren Buches, ist nach meiner respektlosen Einschätzung ein fürchterlicher Schrott. Das Ungleichgewicht der Bearbeitung in die Tiefe, die geradezu lustige Unübersichtlichkeit, das häufige Fehlen von gedanklichen Querverbindungen, die Überbetonung modernster Buchthemengattungen zu Lasten klassischer Wissenschafts- und Handwerkstraditionen, die geographische Armseligkeit, das theologische Chaos - ach je, wo soll ich anfangen? Am besten gar nix sagen, Du kriegst doch nur Ärger, Mulzer. Jedenfalls ist dieser schreckliche Versuch einer Klassifikation in seiner Ungleichmäßigkeit ähnlich scheußlich gebaut wie die Dezimalklassifikation. Für die Praxis des klassischen Antiquars völlig unbrauchbar, ja: schädlich.

Da war die bescheidene Klassifikation der Volksbüchereien, vor unendlich vielen Jahren von der EKZ herausgeben, dagegen eine Erholung, eine Freude. Die  a l t e n  Bibliothekare konnten auch schon was, das fällt mir immer wieder auf.

Wie auch immer, ich war wieder auf meine alten Vorarbeiten zurückgeworfen.

Zur Erklärung der Tabelle muß ich zuvörderst sagen, daß dies nur die Spitze eines Eisbergs ist. Jede der Hauptnummern umfaßt - für Sie nicht sichtbar - noch eine Liste von 3 - 10 Untergruppen. Jede dieser Untergruppen enthält ein kleineres Sammelgebiet. Was offenkundig nicht, noch nicht oder nicht mehr gesammelt wird, das ist auch unter den Kleingruppen nicht enthalten. Wir wissen etwa aus der Theologie, daß ein Dutzend Rand- und Sondergebiete emsig gesammelt wird von unseren Kunden, der ganze Rest, ein riesiges Feld, aber brachliegt, eine Wüste des Sammelinteresses. Was jene seltsame Eichstätter Bibliotheksdirektorin aber noch lange nicht zu ihren legendären Ramsch- und Vernichtungsaktionen berechtigt hatte. Auch alte Theologica außerhalb der Sammelgebiete sind pfleglich zu behandeln und zu behüten. Warum? Eigentlich weiß ich auch nicht cui bono. Aber aufbewahrt muß werden, das ist unser Amt!

Ich veröffentliche also hier mit Absicht nur das "obere Gerüst" der etwa 85 Sachgruppen. Ich meine nämlich, daß  u n t e r h a l b  dieses Levels die individuelle Diskussion der Antiquare, auf dem Weg zu einer verbindlichen Klassifikation, anfangen sollte. Ich stelle die Liste vor mit der Frage: Könnten wir das vom klassischen Antiquariat her erst einmal als verbindlichen Rahmen akzeptieren?

Noch eine Anmerkung (von vielen, die notwendig wären, die Sie aber langweilen würden). Öfter müßte neben den Stichworten "allgemein" stehen. Ich habe mich über diese etwas störenden Zusatz geärgert und versucht, das Wörtchen einfach wegzulassen. Ich denke, auch so bleibt die Liste verständlich, das "allgemein" erklärt sich sinngemäß von selber.



Die Foto sind beide geschützt und nicht mein Eigentum. Dank für die Ausleihe aus Flickr.

ZVAB-Schwanebergers "Bücher-Michel" und die Rechtslage



Es ist zum Verzweifeln. Immer noch hat Kollege RFMeyer - Berlin den seltsamen Text nicht gelöscht in seinem Blog, der da lautet: "Alle Kollegen, die ich kenne, und alle diejenigen, mit denen ich in den letzten Wochen gesprochen habe, werden ihre Preise und Buchdaten nicht für den ZVAB Bücher Michel freigeben."

Dieser triumphierenden Feststellung liegt ein grundsätzlicher Denkfehler zugrunde, von dem zu heilen ich den werten Kollegen in mehreren langen Emails vergeblich versucht hatte. Ich kenne das ja von mir her - nirgendwo ist schwerer umzukehren als aus einer Sackgasse, in die man sich verguckt hat. Mir scheint die Quelle des Mißverständnisses aber nicht bei ihm, sondern im Gestrüpp unserer Xing-Geheimgruppe und bei einem hier nicht zu nennenden niederrheinischen Geistesführer zu liegen.





Exkurs: Dies ist keine Rechtsberatung, sondern eine berufskundliche Kollegenauskunft, gefertigt vom Nebenfachjuristen Peter Mulzer. Ich achte die Arbeit der Rechtsanwälte, liebe sie aber nicht (weder die Anwälte noch ihre Arbeit), in jüngster Zeit wird ihr Stand international zu einer einzigen Plage und Ansammlung tückischer Nervensägen. Darüber  schreiben wir ein andermal. Ich meine dabei nicht so sehr die kleinen und großen Abmahnhyänen, sondern jene Sorte von Wirtschafts-, Konzern- und Verbandsanwälten, die sich als trickreiche Interessenvertreter ohne eigenes Gewissen verstehen und unser Rechtssystem zum Tummelplatz von Kapitalmacht, Ausnützung und Erpressung würden verkommen lassen, wenn man sie nur machen ließe - Lakaien im Dienste ihrer Herren. Aber zurück zum Thema.

Im Folgenden verwende ich keine juristische Fachterminologie, damit kommen wir unter Laien nicht weit. Auch führe ich keine Quellen an, denn heute kann sich jeder übers Internet und die großen juristischen Foren sachkundig machen. Freilich muß man sich da etwas Mühe geben. Es geht nicht an, sich wie Kollege RFMeyer auf die bieder und ziemlich schlampig zusammengestellte Webseite eines Stuttgarter Anwalts zu verlassen. Etwas Wälzen der Handbücher, ein wenig Urteilstextsuche, ein Quentchen Wiki und viel Beck, das muß schon sein. Aber es ist keine Geheimwissenschaft.

Oberster Grundsatz und Quelle vieler Mißverständnisse in der Diskussion, gerade auch bei RFMeyer, ist die Notwendigkeit einer säuberlichen gedanklichen Trennung von  U r h e b e r r e c h t  einerseits und  W e t t b e w e r b s r e c h t  andererseits. Wobei wir den letzteren Begriff ganz laienhaft und ursprünglich sehen wollen, tatsächlich wird es hier in jüngster Zeit sehr kompliziert. Querlaufend dazu das Internetrecht, das wir aber nur in der Google-Grundfrage brauchen bei unserem speziellen Anliegen.

Für die kleinlichen, geizigen und unkollegialen Antiquare unter uns ist es  l e i d e r  so, für die erfreulicheren, hilfsbereiten Antiquare dagegen selbstverständlich und unerheblich, wenn wir zunächst einmal feststellen - mit der Bitte, dann nie mehr darüber diskutieren zu müssen,

*** Die einzelne einfache Titelaufnahme genießt überhaupt keinen Urheberrechtsschutz.***

Nein, bedauere, daran ist nicht zu deuteln. Dieses Faktum scheint der im vorstehenden Absatz erstgenannten Kollegensorte völlig unbegreiflich zu sein. Seit Jahren sitzen sie trotzig am Tischchen und rufen: Ich esse meine Suppe nicht. Sie machen sich ihr Leben einfacher, wenn sie das ein für allemal als gegeben zur Kenntnis nehmen.

Die gedankliche Verwirrung dürfte daher kommen, daß bei Bildern, noch mehr aber bei der Musik jedes Fetzelchen ganz klar Urgeberrechtsschutz genießt, mit den bekannten Ausnahmen und Bedingungen. Der literarische Urheberrechtsschutz, richtiger formuliert der von Schriftwerken, ist aber seit jeher etwas großzügiger, muß es auch sein. Die Begründung möge man passim im Netz nachlesen, aber nicht gerade beim Börsenverein, der im Interesse seiner Verleger natürlich eine restriktive Haltung einnimmt.

Die fehlende Schutzwürdigkeit betrifft auch mittlere, etwas ausgearbeitete Titelaufnahmen. Erst längere eigene Texte des Antiquars, etwa ab 2-3 eigenständigen Sätzen oder ausführlicheren Ermittlungen, können eventuell schutzwürdig werden im Sinne des Urheberrechts. -

Wir verlassen nun das Urheberrecht und kommen zu dem bei dieser Frage, ich sagte es oben schon, weitaus schwierigeren Wettbewerbsrecht.

Google hat (zusammen mit den früher ja weit stärker verbreiteten anderen Suchmaschinen) das Wettbewerbsrecht im Zusammenhang mit seiner  G r u n d - Tätigkeit, dem Sammeln und zum Anklicken bereitgestellten Neuordnen kleinerer Fundstellen im Netz, ja nolens volens als Objekt juristische Pionierarbeit geleistet und nun schon bald eine Generation von Juristen ausgiebig beschäftigt. Wie immer man zur Rechtsentwicklung stehen mag, sie hat sich international und national gefestigt. Wir sollten uns nicht verwirren lassen durch die vielen noch oder erst jetzt offenen Rechtsfragen, was Google betrifft, vom Buchscannen bis zur Straßenansicht. Es gilt einfach nur festzustellen, daß

***die Grundtätigkeit von Google, das Sammeln von Fundstellen, die im Netz stehen oder irgendwann standen, zusammen mit der Darstellung kurzer Textstellen (und wohl auch das Bereithalten des Caches der zugrundeliegenden Webseiten) l e g a l  ist.

Das heißt, angewendet auf unsere Datensätze, die im ZVAB standen oder noch stehen, daß sie jeder, der dazu lustig ist, seinerseits  e i n z e l n  sammeln und darstellen darf. Nun wirds spannend. Zunächst halten wir die Selbstverständlichkeit fest, daß natürlich weder die Bücherdatenbank als ganzes kopiert und neuverwendet werden darf, noch darf ich die Geschäfts i n t e r e s s e n  dessen, der die Texte eingestellt hat,  b e e i n t r ä c h t i g e n.

Wenn ich also die (vom Urheberrecht her nicht schutzwürdigen) Titelaufnahmen der Kollegen wiederverwende, dann muß ich sehr genau hinsehen, ob ich nicht durch diese Wieder- oder Parallelverwendung die Interessen des Kollegen beeinträchtige. Bei der besonderen Struktur unseres Gewerbes wird das in der Regel nicht der Fall sein. Randnotiz: Dies gilt alles nur für Texte; kopiere ich Produktfotios, leihe ich Scans aus, komme ich sofort in des Teufels Küche.

Jetzt zur Kernfrage: Darf das ZVAB, darf Schwaneberger-Michel die aktuellen und/oder abgelaufenen, früher aber im ZVAB gestandenen Titelaufnahmen wiederverwenden in der Weise, wie es der Bücher-Michel vorsieht?

Notwendiger Exkurs: Ich habe vor Jahren die Idee eines "Bücher-Michel" in die Welt gesetzt und empfinde die Verwirklichung jetzt durch ZVAB und Schwaneberger, wenn meine persönliche Einschätzung nachgefragt werden sollte,  rundum und bis in die Einzelheiten hinein als schauerlich, dumm, unklug, rücksichtslos und drohnenhaft ausnutzend. Aber das alles ändert nichts an meinem Bemühen, diese Frage objektiv anzugehen.

Wir haben nicht den Ausweg, zu sagen, daß ZVAB-Schwaneberger ja  G e l d  verdiene oder doch verdienen wolle mit der Neuverwendung der Titeldaten. Denn es ging ja bei Google auch immer um den bekannten Fakt, daß sich die Suchmaschinen dumm und dämlich verdienen durch genau diese Methode und nicht wissen wohin mit den Milliarden. Es ist festgestellt worden, daß das legal ist.

WAS GOOGLE DARF, DAS DARF AUCH ZVAB-SCHWANEBERGER.

Nun haben wir das Kernproblem eingekreist. Schadet ZVAB-Schwaneberger durch die Neuzusammenstellung dem einzelnen Antiquar? Selbst wenn das der Fall wäre - es ist nicht der Fall - , dann wäre die Lage höchst unsicher, denn Google schadet ja durch seine Art der Zusammenstellung von Webfundstellen manchen Unternehmern gravierend. Und verdient Geld damit. Ich darf das also im Grundsatz alles tun.

Weitere Gretchenfrage. Ist es denkbar, daß die Bedingungen, die das ZVAB mit den Antiquaren vereinbart hat, eine Zweitverwendung der Datensätze auch dann, wenn sie frei für jedermann zum  Einzelkopieren im Netz gestanden sind oder noch stehen, untersagen?  Eindeutiges  j a . Pacta sunt servanda. Ergibt sich direkt oder indirekt, daß das ZVAB laut Vertrag dies nicht dürfen soll, dann darf es das nicht tun.

Diese Rechtsfolge steht aber auf tönernen Füßen, der Um- und Ausweg erscheint denkbar einfach: Ich delegiere das Ganze. Hier war das ZVAB gut beraten, Schwaneberger einzuschalten oder richtiger dazwischenzuschalten. Natürlich hätten sie an ihrem bayerischen See in der alten Villa das auch selber unternehmen können, Schwaneberger war da unnötig wie ein Kropf, nicht einmal die Namensrechte für "Michel" konnten da zum Tragen kommen (siehe unten) - - aber jede Einrede der Antiquare, was die Vertragsvereinbarungen angeht, war mit diesem eleganten, wenn auch naheliegenden Trick zum Scheitern verurteilt. Bravo!

Damit hätten wir, soweit ich das sehe, die Juristerei abgehandelt. Bleibt ein häßliches Detail - der "Bücher-Michel" ist eine Buchhandlung im schönen Spessart. Damit verbietet sich die Benutzung des Namens, es sei denn, eine kleine und wohl dann nicht ganz billige Ausflugsfahrt von Tutzing ins Nordwestfränkische wird unternommen.

Betrüblich ist der Imageschaden bei den  A n t i q u a r e n, den das ZVAB auszuhalten hat. Denn die Borniertheit der Antiquare, wenn ihnen irgendwer mal eingeredet hat, etwas sei "juristisch verboten", kennt keine Grenzen.

Ich mag hier nicht auf die w+h-Übernahme der Grunddaten bei der Titelaufnahme eingehen, die zu einer weiteren Relativierung der Frage führen würde im Interesse des ZVAB-Standpunktes. In diesen Zusammenhang gehört auch die beschämende, unwürdige, von mir so genannte "gelinde Roßtäuscherei" mancher Kollegen, die ihre punktuell-sachlich aus riesigen Bücherdatenbanken herausgezogenen Einzeltitel als "Katalog" verkaufen oder doch den Anschein nicht vermeiden, sie würden Kataloge bieten auf ihrer Webseite. Der jüngste Kölner Fall nagt noch an mir, Sie merken es.

Fazit: Juristisch ist nichts, aber auch gar nichts drin.

Von der Sache her halte ich die Einrichtung einer weiteren Kundenabsahnmaschine für schädlich und ärgerlich. Wenn sie dann noch so fürchterlich schlecht, so täppisch und vermurkst umgesetzt wird, wie uns das ZVAB-Schwaneberger gerade vorführt, dann könnte man etwas zynisch sagen, daß sich die Unternehmung selber bestrafe...


Eine große Chance, den Absatz unserer Bestände zu fördern, ist durch den Bücher-Michel in seiner jetzigen Form vertan worden. Das ist eine Tragödie, die wir alle mit auszubaden haben.




Warum kannte ich diesen gescheiten und sympathischen Blog bisher noch nicht? Mit Vergnügen entlehne ich dort ein aktuelles Foto aus der Berliner Antiquariatsszene.  - Das "Tutzinger Museumsschiff" liegt als Motiv recht nahe...  - In dieser Rechtsfrage rate ich den Kollegen dazu, sich wie Diogenes in der Tonne zu bescheiden. (Wilhelm Busch)