Samstag, 11. September 2010

ZVAB-Schwanebergers "Bücher-Michel" und die Rechtslage



Es ist zum Verzweifeln. Immer noch hat Kollege RFMeyer - Berlin den seltsamen Text nicht gelöscht in seinem Blog, der da lautet: "Alle Kollegen, die ich kenne, und alle diejenigen, mit denen ich in den letzten Wochen gesprochen habe, werden ihre Preise und Buchdaten nicht für den ZVAB Bücher Michel freigeben."

Dieser triumphierenden Feststellung liegt ein grundsätzlicher Denkfehler zugrunde, von dem zu heilen ich den werten Kollegen in mehreren langen Emails vergeblich versucht hatte. Ich kenne das ja von mir her - nirgendwo ist schwerer umzukehren als aus einer Sackgasse, in die man sich verguckt hat. Mir scheint die Quelle des Mißverständnisses aber nicht bei ihm, sondern im Gestrüpp unserer Xing-Geheimgruppe und bei einem hier nicht zu nennenden niederrheinischen Geistesführer zu liegen.





Exkurs: Dies ist keine Rechtsberatung, sondern eine berufskundliche Kollegenauskunft, gefertigt vom Nebenfachjuristen Peter Mulzer. Ich achte die Arbeit der Rechtsanwälte, liebe sie aber nicht (weder die Anwälte noch ihre Arbeit), in jüngster Zeit wird ihr Stand international zu einer einzigen Plage und Ansammlung tückischer Nervensägen. Darüber  schreiben wir ein andermal. Ich meine dabei nicht so sehr die kleinen und großen Abmahnhyänen, sondern jene Sorte von Wirtschafts-, Konzern- und Verbandsanwälten, die sich als trickreiche Interessenvertreter ohne eigenes Gewissen verstehen und unser Rechtssystem zum Tummelplatz von Kapitalmacht, Ausnützung und Erpressung würden verkommen lassen, wenn man sie nur machen ließe - Lakaien im Dienste ihrer Herren. Aber zurück zum Thema.

Im Folgenden verwende ich keine juristische Fachterminologie, damit kommen wir unter Laien nicht weit. Auch führe ich keine Quellen an, denn heute kann sich jeder übers Internet und die großen juristischen Foren sachkundig machen. Freilich muß man sich da etwas Mühe geben. Es geht nicht an, sich wie Kollege RFMeyer auf die bieder und ziemlich schlampig zusammengestellte Webseite eines Stuttgarter Anwalts zu verlassen. Etwas Wälzen der Handbücher, ein wenig Urteilstextsuche, ein Quentchen Wiki und viel Beck, das muß schon sein. Aber es ist keine Geheimwissenschaft.

Oberster Grundsatz und Quelle vieler Mißverständnisse in der Diskussion, gerade auch bei RFMeyer, ist die Notwendigkeit einer säuberlichen gedanklichen Trennung von  U r h e b e r r e c h t  einerseits und  W e t t b e w e r b s r e c h t  andererseits. Wobei wir den letzteren Begriff ganz laienhaft und ursprünglich sehen wollen, tatsächlich wird es hier in jüngster Zeit sehr kompliziert. Querlaufend dazu das Internetrecht, das wir aber nur in der Google-Grundfrage brauchen bei unserem speziellen Anliegen.

Für die kleinlichen, geizigen und unkollegialen Antiquare unter uns ist es  l e i d e r  so, für die erfreulicheren, hilfsbereiten Antiquare dagegen selbstverständlich und unerheblich, wenn wir zunächst einmal feststellen - mit der Bitte, dann nie mehr darüber diskutieren zu müssen,

*** Die einzelne einfache Titelaufnahme genießt überhaupt keinen Urheberrechtsschutz.***

Nein, bedauere, daran ist nicht zu deuteln. Dieses Faktum scheint der im vorstehenden Absatz erstgenannten Kollegensorte völlig unbegreiflich zu sein. Seit Jahren sitzen sie trotzig am Tischchen und rufen: Ich esse meine Suppe nicht. Sie machen sich ihr Leben einfacher, wenn sie das ein für allemal als gegeben zur Kenntnis nehmen.

Die gedankliche Verwirrung dürfte daher kommen, daß bei Bildern, noch mehr aber bei der Musik jedes Fetzelchen ganz klar Urgeberrechtsschutz genießt, mit den bekannten Ausnahmen und Bedingungen. Der literarische Urheberrechtsschutz, richtiger formuliert der von Schriftwerken, ist aber seit jeher etwas großzügiger, muß es auch sein. Die Begründung möge man passim im Netz nachlesen, aber nicht gerade beim Börsenverein, der im Interesse seiner Verleger natürlich eine restriktive Haltung einnimmt.

Die fehlende Schutzwürdigkeit betrifft auch mittlere, etwas ausgearbeitete Titelaufnahmen. Erst längere eigene Texte des Antiquars, etwa ab 2-3 eigenständigen Sätzen oder ausführlicheren Ermittlungen, können eventuell schutzwürdig werden im Sinne des Urheberrechts. -

Wir verlassen nun das Urheberrecht und kommen zu dem bei dieser Frage, ich sagte es oben schon, weitaus schwierigeren Wettbewerbsrecht.

Google hat (zusammen mit den früher ja weit stärker verbreiteten anderen Suchmaschinen) das Wettbewerbsrecht im Zusammenhang mit seiner  G r u n d - Tätigkeit, dem Sammeln und zum Anklicken bereitgestellten Neuordnen kleinerer Fundstellen im Netz, ja nolens volens als Objekt juristische Pionierarbeit geleistet und nun schon bald eine Generation von Juristen ausgiebig beschäftigt. Wie immer man zur Rechtsentwicklung stehen mag, sie hat sich international und national gefestigt. Wir sollten uns nicht verwirren lassen durch die vielen noch oder erst jetzt offenen Rechtsfragen, was Google betrifft, vom Buchscannen bis zur Straßenansicht. Es gilt einfach nur festzustellen, daß

***die Grundtätigkeit von Google, das Sammeln von Fundstellen, die im Netz stehen oder irgendwann standen, zusammen mit der Darstellung kurzer Textstellen (und wohl auch das Bereithalten des Caches der zugrundeliegenden Webseiten) l e g a l  ist.

Das heißt, angewendet auf unsere Datensätze, die im ZVAB standen oder noch stehen, daß sie jeder, der dazu lustig ist, seinerseits  e i n z e l n  sammeln und darstellen darf. Nun wirds spannend. Zunächst halten wir die Selbstverständlichkeit fest, daß natürlich weder die Bücherdatenbank als ganzes kopiert und neuverwendet werden darf, noch darf ich die Geschäfts i n t e r e s s e n  dessen, der die Texte eingestellt hat,  b e e i n t r ä c h t i g e n.

Wenn ich also die (vom Urheberrecht her nicht schutzwürdigen) Titelaufnahmen der Kollegen wiederverwende, dann muß ich sehr genau hinsehen, ob ich nicht durch diese Wieder- oder Parallelverwendung die Interessen des Kollegen beeinträchtige. Bei der besonderen Struktur unseres Gewerbes wird das in der Regel nicht der Fall sein. Randnotiz: Dies gilt alles nur für Texte; kopiere ich Produktfotios, leihe ich Scans aus, komme ich sofort in des Teufels Küche.

Jetzt zur Kernfrage: Darf das ZVAB, darf Schwaneberger-Michel die aktuellen und/oder abgelaufenen, früher aber im ZVAB gestandenen Titelaufnahmen wiederverwenden in der Weise, wie es der Bücher-Michel vorsieht?

Notwendiger Exkurs: Ich habe vor Jahren die Idee eines "Bücher-Michel" in die Welt gesetzt und empfinde die Verwirklichung jetzt durch ZVAB und Schwaneberger, wenn meine persönliche Einschätzung nachgefragt werden sollte,  rundum und bis in die Einzelheiten hinein als schauerlich, dumm, unklug, rücksichtslos und drohnenhaft ausnutzend. Aber das alles ändert nichts an meinem Bemühen, diese Frage objektiv anzugehen.

Wir haben nicht den Ausweg, zu sagen, daß ZVAB-Schwaneberger ja  G e l d  verdiene oder doch verdienen wolle mit der Neuverwendung der Titeldaten. Denn es ging ja bei Google auch immer um den bekannten Fakt, daß sich die Suchmaschinen dumm und dämlich verdienen durch genau diese Methode und nicht wissen wohin mit den Milliarden. Es ist festgestellt worden, daß das legal ist.

WAS GOOGLE DARF, DAS DARF AUCH ZVAB-SCHWANEBERGER.

Nun haben wir das Kernproblem eingekreist. Schadet ZVAB-Schwaneberger durch die Neuzusammenstellung dem einzelnen Antiquar? Selbst wenn das der Fall wäre - es ist nicht der Fall - , dann wäre die Lage höchst unsicher, denn Google schadet ja durch seine Art der Zusammenstellung von Webfundstellen manchen Unternehmern gravierend. Und verdient Geld damit. Ich darf das also im Grundsatz alles tun.

Weitere Gretchenfrage. Ist es denkbar, daß die Bedingungen, die das ZVAB mit den Antiquaren vereinbart hat, eine Zweitverwendung der Datensätze auch dann, wenn sie frei für jedermann zum  Einzelkopieren im Netz gestanden sind oder noch stehen, untersagen?  Eindeutiges  j a . Pacta sunt servanda. Ergibt sich direkt oder indirekt, daß das ZVAB laut Vertrag dies nicht dürfen soll, dann darf es das nicht tun.

Diese Rechtsfolge steht aber auf tönernen Füßen, der Um- und Ausweg erscheint denkbar einfach: Ich delegiere das Ganze. Hier war das ZVAB gut beraten, Schwaneberger einzuschalten oder richtiger dazwischenzuschalten. Natürlich hätten sie an ihrem bayerischen See in der alten Villa das auch selber unternehmen können, Schwaneberger war da unnötig wie ein Kropf, nicht einmal die Namensrechte für "Michel" konnten da zum Tragen kommen (siehe unten) - - aber jede Einrede der Antiquare, was die Vertragsvereinbarungen angeht, war mit diesem eleganten, wenn auch naheliegenden Trick zum Scheitern verurteilt. Bravo!

Damit hätten wir, soweit ich das sehe, die Juristerei abgehandelt. Bleibt ein häßliches Detail - der "Bücher-Michel" ist eine Buchhandlung im schönen Spessart. Damit verbietet sich die Benutzung des Namens, es sei denn, eine kleine und wohl dann nicht ganz billige Ausflugsfahrt von Tutzing ins Nordwestfränkische wird unternommen.

Betrüblich ist der Imageschaden bei den  A n t i q u a r e n, den das ZVAB auszuhalten hat. Denn die Borniertheit der Antiquare, wenn ihnen irgendwer mal eingeredet hat, etwas sei "juristisch verboten", kennt keine Grenzen.

Ich mag hier nicht auf die w+h-Übernahme der Grunddaten bei der Titelaufnahme eingehen, die zu einer weiteren Relativierung der Frage führen würde im Interesse des ZVAB-Standpunktes. In diesen Zusammenhang gehört auch die beschämende, unwürdige, von mir so genannte "gelinde Roßtäuscherei" mancher Kollegen, die ihre punktuell-sachlich aus riesigen Bücherdatenbanken herausgezogenen Einzeltitel als "Katalog" verkaufen oder doch den Anschein nicht vermeiden, sie würden Kataloge bieten auf ihrer Webseite. Der jüngste Kölner Fall nagt noch an mir, Sie merken es.

Fazit: Juristisch ist nichts, aber auch gar nichts drin.

Von der Sache her halte ich die Einrichtung einer weiteren Kundenabsahnmaschine für schädlich und ärgerlich. Wenn sie dann noch so fürchterlich schlecht, so täppisch und vermurkst umgesetzt wird, wie uns das ZVAB-Schwaneberger gerade vorführt, dann könnte man etwas zynisch sagen, daß sich die Unternehmung selber bestrafe...


Eine große Chance, den Absatz unserer Bestände zu fördern, ist durch den Bücher-Michel in seiner jetzigen Form vertan worden. Das ist eine Tragödie, die wir alle mit auszubaden haben.




Warum kannte ich diesen gescheiten und sympathischen Blog bisher noch nicht? Mit Vergnügen entlehne ich dort ein aktuelles Foto aus der Berliner Antiquariatsszene.  - Das "Tutzinger Museumsschiff" liegt als Motiv recht nahe...  - In dieser Rechtsfrage rate ich den Kollegen dazu, sich wie Diogenes in der Tonne zu bescheiden. (Wilhelm Busch)

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