1.
Der neue Blogtitel ist nicht besonders originell. Die Google-Regeln verlangen aber einen deutlichen Namenswechsel, da mit dem Blognamen auch die Blogadresse verbunden ist. Ich kann daher meinen alten Blog nicht einfach "neu" weiterführen. Dessen Tradition ist auch nicht gerade ehrenwert und besser nicht weiterzuspinnen. Vergessen wir ihn einfach. Meine alten Blogs waren zu aggressiv, zu unfreundlich und gelegentlich auch einfach ungerecht.
Ein "Tagebuch" im strengen Wortsinn kann ich dem geneigten Leser nicht versprechen. Die Vorbereitungen zum kommenden Antiquariatsportal "Alteskrokodil" sind ziemlich zeitraubend und so gern ich Blogs schreibe, muß ich mich doch zügeln.
Ich habe inzwischen einige Portaltests unter Freunden, Kollegen und Bekannten durchgeführt - mit skurrilem und unerwartetem Ergebnis. Während die Antiquariatskollegen in vornehmer Zurückhaltung schweigen, Anfragen nicht beantworten und das arme Altekrokodil als Luft behandeln, kann ich schon jetzt auf ein Bündel Anfragen und Wünsche aus der Schicht meiner Kunden zurückgreifen. Ich hätte das wirklich anders erwartet. Sind unsere Bücherkäufer interessierter und problembewußter als wir Antiquare?
Jedenfalls ist es nichts mit der schönen Position des abseitsstehenden Beraters. Entweder ich bastle das Antiquariatsportal selber, oder es wird nichts daraus.
Die Themen, die ich in diesem Blog bespreche, sind bis zum Erscheinen der ersten Portalversion eher zufällig ausgewählt. Ich werde mich auf die Kommentierung und Ergänzung von Aufsätzen im Netzdienst des Börsenblatts beschränken, schon weil ich über die nun notwendigen Arbeitsschritte für das Portal nichts weiter sagen mag. Den großen Rahmen habe ich vergangene Woche ja schon anderweitig abgesteckt und veröffentlicht. Spannend wirds freilich erst en détail. Will sagen: Der große Rahmen ist schnell abgesteckt, ihn dann aber in die Praxis umzusetzen, das ist die Kunst.Ich bin leider kein Künstler...
2.
Björn Biester teilt uns im Börsenblatt-Netzdienst mit, daß ein Jahrhundertwerk nun digitalisiert worden ist. Getan hats Matthias Glatthor. Wir erwarten Erfreuliches und Nützliches. Mons crescit. Und welches bescheidene Mäuslein kommt in Björn Biesters Blog zum Vorschein?
Es wurde ein dereinst von Herta Schwarz erstelltes A u t o r e n register der Börsenblatt-Beilage "Aus dem Antiquariat" d i g i t a l i s i e r t. Tusch! Wir haben also keine digitalisierten oder wenigstens als Bild eingescannten Inhalte, weit gefehlt - wir haben auch keine Stichworterschließung, nicht einmal eine gescheite Titelliste der Aufsätze (die gibt das schreckliche, recht konfuse jährlich veröffentlichte Sachregister auch gar nicht her) - - wir haben eine Zusammenfassung der alten Beiträge ausgerechnet unter einem Autorenalphabet.
Darf ich fragen, wem das nun nützlich sein soll? Die Verfasser sind, wie es im buchkundlichen Bereich ja oft der Fall ist, weitgehend unbekannt. Keine Seele ist daran interessiert, zu erfahren, w e r einen der vielen vortrefflichen Sachaufsätze verfaßt hat. Will er das wissen, kann ers allemal dann ja nachsehen. Er will, zum Donner, die S a c h t h e m e n der Artikel erfahren, schnell, übersichtlich. Dazu reicht natürlich die reine Widergabe der Titel nicht aus, einige Inhaltsstichworte sollte man sich schon abquälen.
Eine noch so knappe und tabellarische Inhaltsliste wäre das Mindestmaß gewesen, um nützliche Arbeit zu leisten. Grotesk ist das Ganze ohnehin: Konnte Glatthor nicht die Arbeitszeit aufbringen, die ihm ermöglicht hätte, seine gemäßigt absurde Verfasserliste wenigstens bis in die Gegenwart fortzuführen? Frau Schwarz, mit der ich einst gern geplaudert hatte, würde diese kleine Anstrengung wohl verdient haben.
Es gibt Bereiche, in denen die V e r f a s s e r ebenso wichtig sind wie die von ihnen behandelten I n h a l t e. Das ist aber bei den Aufsätzen in "Aus dem Antiquariat" gewiß nicht der Fall. Bei dieser in den älteren Jahrgängen tatsächlich halbvergessenen und nur schwer zugänglichen Fachzeitschrift wäre eine kumulierte Sacherschließung wirklich sinnvoll. Dazu kann man freilich nicht "einfach" die früher erstellten Register verwenden. Man muß die Beiträge überfliegen und im Vokabular und aus dem Verständnis der Gegenwart die Inhalte stichwortartig notieren. Schwer zugänglich sind solche selteneren Fachzeitschriften vor allem wegen der kreuzunglücklichen Mode vieler Universitätsbibliotheken, ältere Jahrgänge ab einem Stichtag ins geschlossene Magazin zu verlegen. Und weg sind sie...
Nach einer Sacherschließung kommt es, ich hoffe das mit Björn Biester, auch zu dem, was längst fällig gewesen wäre: Zu einer Netzveröffentlichung aller Artikelscans von "Aus dem Antiquariat". Ich kann mir keine bessere Werbung für das deutsche Antiquariat vorstellen!
3.
Das Börsenblatt des Buchhandels weist uns darauf hin, daß Kollege Heuberger eine neue Webseite ins Netz gestellt hat. Nun ist Roman Heuberger nicht irgendwer, sondern ein sachkundiges, unerschütterlich konservatives Urgestein unter den Antiquaren, dessen Wort Gewicht hat. Da ist es angezeigt, sich die Kölner Webseite näher anzusehen. Ich spreche natürlich nur von meinen persönlichen Eindrücken. Mancher wird es ganz anders sehen.
Einiges in der Gestaltung der Portalseite habe ich nicht verstanden. Es geht mir da ähnlich wie auf der - ganz anders gestalteten - Eintrittsseite des Kollegen RFMeyer in Berlin, einem wie Heuberger sehr erfahrenen älteren Kollegen: Ich sehe mich zu Rätselspielen veranlaßt, fühle mich, als solle ich mich in einem Irrgarten zurechtfinden und habe dabei den stillen Verdacht, daß mich beide Antiquare auf die Schulter nehmen und sich einen grinsen.
Das mag unterhaltsam sein, der eine oder andere Kunde goutiert das auch. Aber die meisten sind wie ich verärgert. Wir haben im Netz w e n i g Z e i t. Das mag bedauerlich sein, ist aber nicht zu ändern. Die ersten Sekunden bei einem Webseitenbesuch entscheiden vieles, fast alles. Rätselspiele haben im Eingangsbereich nichts zu suchen.
Mit Verlaub, wir alten Herren (als solche sind wir nun schon zu dritt) sollten nicht a f f i g daherkommen. Genau das aber weht herüber, wenn Heuberger formuliert "LESE.ZEICHEN" , "VOR.WORT" in fettgedruckten Überschriften. Die deutsche Sprache hat solche Mätzchen nicht verdient. Wer den Einführungstext mit "biblio-fielen" Grüßen schließt, der ist in diesem Augenblick einfach nur albern.
Nicht nur albern, sondern lästig ist das ewig gleitende nervös machende Wechselband auf der Portalseite rechts, vor dem meine Batterie an Werbe-, Flash- usw.-Blockern kläglich versagt hat. Es sind schöne Fotos eines sehr schönen Ladenraums - aber solch irres Spielchen entwertet alles. Man darf dem Besucher, dem Betrachter niemals zur Last fallen!
Man soll auch nicht angeben. Wenn hier, riesengroß, in der ehrwürdigen Altbücherstadt Köln ein Antiquar im Kopf seiner Webseite textet "Roman Heuberger / Das Antiquariat in Köln" so ist das peinlich und läßt Geschmack wie Bescheidenheit vermissen. Wieso konnte sich Heuberger, der letzteres beides ja doch in hohem Maß besitzt, vom Webseitenbauer so über den Tisch ziehen lassen?
Weiter geht die Wanderung an den Grenzen des Selbstlobs, ich zitiere "in neuem Gewand, einem großen Themenspektrum und abwechslungsreichen virtuellen Spaziergängen durch die Welt des Antiquariats präsentieren wir seit dem 9. September 2010 unsere aktuelle Internetseite." Sowas schreibt man nicht über die eigene Webseite, besonders dann nicht, wenn sie jenen schweren Mangel aufweist, von dem wir unten sprechen werden.
Neben den freundlich-bescheidenen Logos vom Börsenverein und den beiden Verbänden wirkt das GIAQ-Logo graphisch übergroß, in der Form scheußlich und überdies kryptisch. Aber man weiß ja, unsere Genossenschaft macht so ziemlich alles falsch - lassen wir das.
Auf der Service-Seite textet man nicht: "Als Mitglied nationaler und internationaler Standesorganisationen haben wir die Welt antiquarischer Bücher im Blick." Das ist sprachlich jenes Quentchen Angeberei zuviel, das der Kunde mit leichtem Heben der Augenbraue quittiert. Mußte das sein?
Die Texte Heubergers, von der - wirklich sehr gelungenen - Persiflage über den Alltag als Antiquar bis zu den Sachbeiträgen, was man sich unter einem Antiquariat vorzustellen habe und wie es funktioniert, sind gut, enthalten nichts Falsches und allerlei Wissenswertes, aber es sind sehr unausgewogene Goldkörner. Ich weiß, das die zugrundeliegende Frage schwierig zu beantworten ist - wie kann man, auf anregende Weise, dem Kunden einen Crash-Kurs in Sachen "Altbuchkunde" vermitteln?
Ich würde sagen: So besser nicht. Heubergers Sachwissenschaft reicht, soweit er geneigt ist sie darzubieten, zur Erhellung des durchschnittlichen Kunden nicht aus. Von einem Fachmann, der sich uns ja doch in vielen Beiträgen als sehr informiert erwiesen hat, erwarten wir mehr "Fleiß". Das sind im Ergebnis, in der Wirkung auf den Kunden höchst lückenhafte Unternehmungen. Entweder richtig, oder gar nicht. Heuberger ist einer der großen alten Männer unseres Gewerbes. Das hätte er besser gekonnt... Keine Lust? Keine Zeit?
Aber die Persiflage ist köstlich zu lesen, und vieles sei ihm verziehen dafür. Nicht aber Folgendes.
Meine Hauptkritik mag man puristisch nennen, seis drum. Erst im Eingangsfeld zu seinem Katalogbereich nennt Heuberger - endlich - Roß und Reiter, was seine Katalogpräsenz betrifft, ich zitiere:
"Unser Katalog-Angebot bei antiquariat.de:"
Das bedeutet: Wir können also Einzeltitel und behelfsmäßig erfaßte Sachgrüppchen aufrufen, erhalten aber ***keinen statischen Katalog.***
"Das ist nicht gut". Erstens hat die unglückliche Genossenschafts-Datenbank natürlich immer noch die alten Fehler, angefangen mit der unerträglichen Pünktchenwirtschaft. Aber dagegen wäre nichts zu sagen, wenn sich der auch nur halbwegs erfahrene Kunde nicht "irgendwie" getäuscht fühlen müßte - denn was ist da mit "Katalog"? N i c h t s! Er wird sich, und das zurecht, sagen, daß ja jedes Netzantiquariat "seinen" Katalogzugang in seine Webseite stellen könne.
Der Zugang zu einer fremden großen Webdatenbank ist k e i n Katalog!
Es fehlt das Moment des Statischen, es fehlt die Möglichkeit des Überblicks, und dadurch geht jene beglückende Individualität, die der Antiquar eben gerade durch s e i n e Kataloggestaltung ausdrückt und die der Kunde goutiert, flöten. Das ist wie aufgewärmte Tiefkühlkost im Spitzenrestaurant...
Ich möchte es allen Kollegen ins Stammbuch schreiben: Ein Netzdatenbankzugang ist k e i n K a t a l o g.
Kaum ein Antiquar erstellt bessere Titelaufnahmen als Heuberger. Gerade er hättte solche, mit Verlaub und nach meiner persönlichen Einschätzung, gelinde Roßtäuscherei nicht nötig.
Ich habe kein Patenrezept gehen diese Untugend. Hier sind, von der Genossenschaft / Datenbank her, irgendwann die Weichen falsch gestellt worden. Nun frißt sich die Seuche auch in die obersten Regionen unserer Kollegen, fremde Datenbankzugänge als eigene "Kataloge" zu verkaufen.
So gehts nicht.
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Für das Foto der kleinen EDV-Nutzerin danke ich den Kollegen vom Berliner Büchertisch. Laden und Hofgarten
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