Zum Bericht der FAZ über das ZVAB von Oliver Jungen
(FAZ zur Buchmesse vom 6.Oktober 2010, S.13),
angezeigt im Onlinedienst des Börsenblatts des Deutschen Buchhandels, Abteilung Antiquariat
Die hier folgenden Einschätzungen und Wertungen geben meine persönliche Meinung wieder. Der Leser wird sie nachvollziehen können, aber es sind und bleiben subjektive Beurteilungen. Die Funktionalität von Webseiten ist immer auch - freilich nicht nur - Geschmackssache.
Aus der Sicht eines Antiquars, der die Situation auf dem Altbuchmarkt seit vielen Jahren beobachtet und mitdiskutiert, ist dieser 90 Zeilen-Artikel eine einzige Katastrophe. Jeder Kollege hätte Redakteur Jungen eines besseren belehren können.
Das auf und ab der Wirtschaftsergebnisse von Mediantis und ZVAB ist flüchtig und verzerrt dargestellt - was haben Kapital-Anlagedesaster des adeligen Eigners in den USA und anderswo mit dem ZVAB als Bücherdatenbank zu tun? Ich gehe darauf hier bewußt nicht ein. Uns kann nur interessieren, ob in der Struktur oder der Arbeitsweise dieser Bücherdatenbank ein Fehler liegt, der zu korrigieren wäre, und ob Amazon, der Hauptkonkurrent, den Absatz der antiquarischen Bücher besser bewältigt als das ZVAB.
Ich hatte schon vor Jahren prophezeit, daß Amazon den deutschen Markt der alten Bücher im Geschwindeschritt erobern würde, nicht zuletzt weil dort die international besten Köpfe sitzen. Wir Antiquare sind bitter aber enttäuscht worden - Amazon ist nach wie vor in geradezu grotesker Weise ausgerichtet auf den Verkauf neuer oder doch neuwertiger Bücher. Für das Anbieten antiquarischer, älterer, nicht nur einfach "gebrauchter" neuerer Titel ist Amazon völlig unpraktisch eingerichtet. Ich kann mir keine plumpere, schrecklichere, unübersichtlichere und völlig verhunzte Datenbank vorstellen, wenn ich meine antiquarischen Bücher dort anbieten möchte.
Wie kommt das? Amazon hatte fast von Anfang an für gebrauchte Bücher der letzten dreißig Jahre eine Art Parallelfeld eingerichtet. Mit den gleichen Techniken, die Amazon den neuen Büchern zur Verfügung stellt, werden auch die gebrauchten neueren Bücher angeboten. Das klappt solange gut, als man ISBN-Nummern hat, auf Standard-Einbandbilder zurückgreifen kann und normierte Titelaufnahmen der DNB verwendet.
Dieses Parallelfeld, in dem durchaus sinnvoll gebrauchte neuere Bücher analog zu den Neubüchern angezeigt werden können, beginnt um 1960. Für alle älteren Titel (und damit für den Kernbereich des Antiquariats) ist die Amazon-Präsentation
*schmachvoll und ganz lächerlich ungeeignet, eine einzige Peinlichkeit!
Das Anbieten älterer, also im eigentlichen Sinn antiquarischer Titel ist dort, durch die verunglückte Fortsetzung der Anbietetechnik aus den Neubüchern her, ebenso unpraktisch wie unübersichtlich - in wirklich jeder Hinsicht. Amazon ist für ältere Titel die schlechteste der mir bekannten Bücherdatenbanken.
Das ist dem Redakteur dieses Beitrags überhaupt nicht aufgefallen. Aber da liegt der Hase im Pfeffer!
Der "Bücher-Michel" wurde von mir vor über zehn Jahren ausführlich angedacht. Er ist dieses Jahr nun vom ZVAB auf eine äußerst groteske Weise so umgesetzt worden, daß ich mich für mein armes Kindlein schäme und geneigt bin, es zu verleugnen. Hier wurde, unter Assistenz des Schwaneberger-Briefmarkenverlags - der es hätte wahrlich besser wissen können - eine ganz lustige, weil dadaistisch absurde Fehlkonstruktion ins Netz gesetzt, unverschämt teuer noch dazu. Möge die Halbleiche "Bücher-Michel" bald sanft entschlafen.
Deutliche Worte sind hier angebracht, weil ahnungslose Webnutzer nach meiner persönlichen Einschätzung nicht nur geärgert und strapaziert werden, sondern darüberhinaus ausgenommen wie die Weihnachtsgans.
Zurück zur Kernfunktion des ZVAB. Hier haben wir, Details sollen außen vor bleiben, eine
*technisch und optisch exzellente Datenbank für neuere u n d alte Bücher.
Es gibt graphisch bessere Bücherdatenbanken, aber auch weitaus schlechtere. Hier liegt das ZVAB im guten oberen Mittelfeld, auch wenn wir alle eine lange Liste von Verbesserungswünschen haben. Technisch war die ZVAB-Datenbank schon immer allererste Wahl.
Amazon ist, insbesondere die älteren, wirklich "antiquarischen" Bücher betreffend, ich sags noch einmal, eine einzige Katastrophe in der praktischen Benutzung. Alles, was dort für Neubücher pfiffig und wünschbar ist, von der Besprechungsmöglichkeit über Nutzerforen bis hin zu "hat auch gelesen..." - das ist im Bereich der alten Bücher schierer Unfug, es stört, behindert, hält auf.
Ich deute hier nur an, wie eine ernsthafte Analyse des von mir hurtig Dahingesagten aussehen würde - das Geheimnis liegt in der CSV-Datei, die Amazon vorgibt. Sie ist für die Erfassung älterer antiquarischer Bücher bedingt noch sinnvoll, für die D a r s t e l l u n g und das praktische L e s e n der Datensätze in der Amazon-Datenbank dann aber schlichtweg absurd, hinderlich, ganz unmöglich.
Von alledem verrät uns Oliver Jungen auch nicht ein Sterbenswörtchen.
Ich fasse zusammen:
Das ZVAB stellt nach wie vor den einzig brauchbaren Typ von Bücherportal dar, der für ältere antiquarische Bücher geeignet erscheint. Die kleinen Konkurrenz-Datenbanken, von denen es eine Handvoll für den deutschen Sprachbereich gibt, sind mehr oder minder geschickte Kopien des ZVAB-Systems.
Dagegen ist Amazon für ältere antiquarische Bücher in schrecklicher Weise ungeeignet, unbrauchbar, ganz lächerlich vermurkst.
Details wären in großer Zahl anzumerken. Das Abrechnungssystem bei Amazon ist so schlecht nicht. Die Bewertung, bei den Antiquaren unbeliebt, ist tatsächlich gewöhnungsbedürftig. Als alter Ebay-Hase habe ich mich aber damit abfinden können, und wirklich sind Bewertungen, wenn sie sich auf eine größere Zahl von Verkäufen stützen, für beide Seiten hilfreich, auch für den anbietenden Antiquar. Die, ich zitiere die Feder von Oliver Jungen, "antiquarische Hochpreisblase" ist schierer Unfug, Jung hat gut daran getan, nicht näher darauf einzugehen. Um so mehr - und dort leider zynisch-abwertend - trampelte er auf den bewährten ZVAB-Tüten herum.
Das hat das ZVAB nicht verdient.
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