Dienstag, 19. Oktober 2010

Titel- und Preisdatenbank aus deutschsprachigen Antiquariatskatalogen 2000-2010




Ich nehme gern diese Meldung im Börsenblatt auf und füge dies und das hinzu.

Lieber Herr Loh,

Ihre Unternehmung gehört zu den bibliographischen Veröffentlichungen, die bereitwillig gelobt, in der Praxis dann aber so gut wie nie benutzt werden.

Diese Feststellung ist nun nicht eine weitere Unfreundlichkeit aus dem Hause des Kritikers vom Dienst, sondern es schließt in sich einen konkreten Vorschlag - und zuvor eine persönliche Erinnerung.

Ich war nämlich, nach Ihrem Vorbild, vor dreißig Jahren von einer bibliographischen Idee besessen, der ich einige Jahre meiner Freizeit geopfert hatte, die aber aus heutiger Sicht skurril und nutzlos erscheint und mir in der Tat dann auch wenig Ehre eingebracht hat. Ich machte mich daran, eine internationale Erschließungsliste aktueller und historischer Zeitungsausschnittsammlungen auf die Beine zu stellen. Das Unglück wollte es nämlich, daß mir eine Notiz aus der "Pariser Zeitung" von 1942 in die Hände gefallen war, in der Dovifat, damals die freilich sehr schillernde Leitfigur der Zeitungswissenschaft, ein solches Arbeitsvorhaben als dringend notwendig und sehr erwünsche bezeichnet hatte. Diese seine Sorgen auf dem Höhepunkt des zweiten Weltkriegs machte ich Esel mir zu eigen...

Lange vor den ersten Digitalisierungen der Zeitungsarchive und dem Füllhorn von Erkenntnissen - EDV und Internet haben im Zusammenhang mit Google dieses Thema wieder hochaktuell gemacht -, brach ich die Arbeiten ab. Ich hätte es besser wissen können, denn mehrere US-Pressearchivare machten mich mit ihren ganz frühen elektronischen Arbeitsvorhaben bekannt, vor allem aus Los Angeles, Miami und New York erreichten mich dicke Umschläge mit Kopien, Fiches und Diagrammen aus den dortigen Pressearchiven.

Warum schicke ich diese persönlichen Erinnerungen voraus? Ihr Arbeitsvorhaben erinnert mich sehr an mein altes Zeitungsprojekt: Sie setzen an einer richtigen Stelle an, aus der Sie für die nächste Zukunft Nützliches, ja sogar Wegweisendes gestalten könnten - aber das Ungeschick hindert Sie nun am Weiterschreiten, der Teufel und vielleicht auch eine Enttäuschung von der Art, die ich damals auch kennenlernen mußte.

Alle loben Sie nämlich pflichtschuldigst, aber keiner braucht Ihre Arbeit in ihrer gegenwärtigen Gestalt wirklich. Es gibt im Reich der Bibliographie wahrhaft Grandioses, das Ruine und Torso geblieben ist und dessen Weiterführung heute noch sinnvoll erscheint - etwa den gedruckten deutschen Gesamtkatalog, abgebrochen 1943. Es gibt aber auch einen Wust von Fleißarbeiten, die ebensogut hätten unterbleiben können. Auf den ersten Blick gehört Ihr Werk dazu.

Bei uns Antiquaren finden Sie aber Leute, die den tieferen Nutzen Ihrer Arbeit erkennen und Ihnen, das wollen wir hoffen, wichtige Impulse geben können, sozusagen "Tricks", mit denen Ihr Werk eben doch wichtig, nützlich und brauchbar erscheint.

Gestatten Sie mir, eh wirs vergessen, eine technische Anmerkung. Vor einiger Zeit machte ich mit dem KVK einen Test, wie es denn nun wirklich bestellt ist mit der Vorratshaltung, mit dem Sammeln der Antiquariatskataloge an deutschen Bibliotheken. In Kombination damit befragte ich die mir bekannten Freiburger Bibliotheken. Das belämmernde Fazit ist, daß das Sammeln von Listen und Katalogen in ganz schrecklicher Weise nur punktuell und selektiv geschieht! Es stimmt nun gar nicht, was in Ihrer Webseite steht, ich darf zitieren: "... da einzelne Kataloge - vor allem bei größeren Firmen - in vielen Bibliotheken vorhanden sind". Natürlich finden Sie etwa die Nürnberger Kataloge zur Jugendbewegung an jeder PH (hoffentlich), aber schon bei den hochwichtigen, in ihrer Art ganz unersetzlichen Fachlisten des Kollegen Feucht in Allmendingen wirds kritisch. Jeder Antiquar mag da selber die Probe aufs Exempel machen mit seinen eigenen Katalogen - das Ergebnis wird mein gelindes Entsetzen bestätigen.

Nun sammelt "aus dem Antiquariat" ja die Kataloge recht emsig, aber wer mag immer nach Frankfurt fahren - oder im Fernleihverkehr je Katalöglein 1,50 Euro bezahlen?

So, das wollte ich noch bemerkt haben, ehe wir nun ans Eingemachte gehen.

Ich lade Sie ein, mit mir in folgender Form zusammenzuarbeiten:

Wir scannen die Kataloge ein, alle neu herauskommenden und, so gut es von der Zeit her geht, von heute ausgehend retrospektiv die älteren. Jede gescannte Doppelseite erfordert mit elektronischem Einlesen etwa eine Minute. Fehler treten kaum auf, Nacharbeitungen sind kaum erforderlich, denn die Kataloge liegen heute, ganz anders als im Rotaprintzeitalter, exzellent maschinenlesbar vor.
Die Datensätze werfen wir in einen einzigen großen Topf. Dieser sortiert sich automatisch nach Verfasseralphabet. Wo das nicht so einfach geht, etwa weil Nummern vorangestellt sind, müssen wir uns einige (eher wenige) Gedanken machen.

Wir erhalten so einen umfangreichen Fundus an Titelaufnahmen aus Listen und Katalogen, mit Preisangaben und, wenn der Kollege fleißig war, auch gescheiten Anmerkungen zur Bedeutung und zum Inhalt. Wenn eine Liste im Durchschnitt 400 Titel umfasst und 200 Kataloge/Listen im Jahr erscheinen mögen, ergibt das 80.000 Titel im Jahr. Eine Erfassung auf 10 Jahre zurück erschiene mir ein gutes MIttelmaß - dann haben wir unter Brüdern

1 Million Titel mit Preisen.

Diese Datenbank, denn nichts anderes ergibt sich, lassen wir von Google im Volltext indizieren, sodaß jedes, aber auch wirklich jedes Wort abgefragt werden kann in Sekundenschnelle.

Worin besteht nun der besondere Wert dieser Datenbank?

* Fast jeder Antiquar behandelt seine Katalog- und Fachlisteneinträge w e i t a u s sorgfältiger als die durchschnittlichen Verkaufsportal-Aufnahmen, auch sind sie oft in der Titelauswahl interessanter und anspruchsvoller. Es wird, freilich nicht immer zurecht, derzeit öfter die Q u a l i t ä t des antiquarischen Arbeitens eingefordert bzw. beanstandet. Die aus den Listen und Katalogen generierte Datenbank würde eine sehr hohe Qualitätsstufe für sich beanspruchen können.

* Der "Bücher-Michel", ein vom ZVAB scheußlich in den Sand gefahrenes Vorhaben, würde durch unser Projekt in weitaus eleganterer Art verwirklicht, besser erschlossen und, notabene, er stünde jedem Kollegen und jedem Kunden gratis zur Verfügung.

Da wir ja unsere Pappenheimer kennen, abschließend noch ein Wort zur Rechtslage. Ob die Damen und Herren das nun (endlich einmal) zur Kenntnis nehmen wollen oder nicht: Der einzelne Datensatz im Antiquariat, die Titelaufnahme, ist als einzelner Text nicht urheberrechtsschutzfähig. Die Schöpfungshöhe ist zu gering.

Anders verhielte es sich mit einer gewerblichen Nutzung unserer Titeldaten. Kein Konkurrent von mir darf sie für eine der meinigen ähnliche Verkaufstätigkeit verwenden (Grenzfall Ebay, wenn die Titelaufnahme nur wenige Tage im Netz steht), er darf das auch dann nicht, wenn er meine Titelaufnahmen neu mischt.

Was wir, verehrter Herr Loh, machen werden, ist auch dem Wettbewerbsrecht nicht untetrworfen. Frei von Urheberrechts- und Wettbewerbsrechtsbedenken dürfen wir arbeiten. Es ist Ehrensache, in einer Zeit der schnödesten Geldmacherei in diesem Bereich das gesamte Material g r a t i s ins Netz zu stellen. Google machts möglich.

Na, haben Sie Lust?

Freundlichen Gruß nach Leipzig sagt Ihnen

Peter Mulzer



Das Foto des Kollegen Feucht - der einige der besten Kataloge geschrieben hat, die ich kenne -verdanken wir dem Börsenverein, der die Rechte daran (wir wollens hoffen) besitzt

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