Mittwoch, 10. November 2010

Unabhängige Buchhändler und Antiquare > gemeinsam organisieren!




Im Buchhandel muß, ähnlich wie bei uns Antiquaren, nach Betriebsarten und Betriebsgrößen differenziert werden. Tut man das nicht, kommen jene Sonntagsreden und Pauschalurteile zustande, die in den Kulturteilen größerer Tageszeitungen und, notabene, im Hausorgan des Börsenvereins regelmäßig nachzulesen sind.

Fassen wir uns kurz. Es gibt den Internet-Neubuchhandel, hier vor allem Amazon. Es gibt die großen und mittleren Kettenläden, die in letzter Zeit positiver beurteilt werden als früher, auch von den eigenen Angestellten, dies gilt besonders für die Thalia-Kette. Dann haben wir noch zahlreiche große bis mittlere selbständige Buchhandlungen, oft mit einigen wenigen Filialbetrieben. Sie sehen, werte Kollegen, wie bei uns können wir recht gut beschreibbare Schichten des Gewerbes definieren.

Während im Antiquariat, das postuliere ich hier ungeschützt als These, die Probleme und Sorgen, die Unzulänglichkeiten und Mängel im mittleren Feld liegen, türmen sich die Probleme im Neubuchhandel gleich unterhalb der Mitte bis nach unten auf.

Die Lage des kleineren unabhängigen Buchhandels ist verzweifelt.

Vom Antiquariat aus gesehen haben wir es beim Neubuchhandel mit klaren Strukturen zu tun; der Neubuchhändler erhält seine bekannten Rabatte, er hat pfiffige Lieferungs- und Abrechnungssysteme, die ihm zur Hand gehen, die Kreditlage scheint nicht schlecht zu sein, das Remittendenwesen läuft klaglos, kurzum, die Rahmenorganisation ist so gut, daß wir Antiquare in unserem Chaos nur davon träumen können. Wen wundert es, daß eine bestimmte, durchaus liebenswerte Sorte von Antiquariatskollegen, die strahlend von ihren gutgehenden Geschäften in kleinen Städtchen berichten und schreiben "was wollen Sie denn, unser Antiquariat in Kleinkleckersdorf rechnet sich bestens", in Wahrheit vom sicheren Ertrag ihrer Neubücher leben. Misch- oder Querfinanzierungen zwischen Neubuch und Antiquariat scheinen keine schlechte Lösung zu sein, sofern man viel Kleinarbeit nicht scheut und selber im Laden steht.

Zurück zu den reinen Neubuchhandlungen, zum örtlichen Buchhandel von der Mitte ab nach unten.

Ich versage mir nun eine billige Kritik an der Selbstdarstellung, die die kleineren selbständigen Buchhändler im Buchreport, im Börsenblatt und anderswo abliefern - sie sind in der Regel peinlich und ein wenig lächerlich, aber auch rührend naiv und blauäugig. Was betuliche, kulturell recht gebildete Damen da von sich geben, kann trefflich karikiert werden. Das ist aber unfair. Schon eher hätte ich Lust, dem Börsenverein eins übers Haupt zu geben für die seltsam oberflächliche, mitunter heuchlerische Art, mit der der kleine Buchhandel einerseits betüdelt und gepäppelt wird, andererseits sehenden Auges - denn der Börsenverein ist ja nicht blind - dem Zug ins Verderben überlassen wird. Auch hierüber für heute nichts weiter.

Der örtliche Buchhandel hat im mittleren und unteren Bereich haargenau die gleichen Sorgen und Anliegen wie das örtliche Antiquariat. Dies ist meine Hauptthese, ich ergänze sie flugs durch die zweite: Der selbständige untere und mittlere Buch-Versandbuchhandel ist in den Grundfragen und der Absatzstrategie mit dem Versandantiquariat nahezu in Übereinstimmung.

Es gibt bewährte und neue, experimentelle Strategien, um die örtliche Leselust zu steigern und, Hand in Hand damit, den Besuch im örtlichen Buchladen zu befördern. Ebendies gilt für den Absatz von Büchern im Internet. Ich kann überhaupt keinen Unterschied erkennen zwischen Problemen, Anliegen und Strategien des mittleren und kleineren Buchhandels wie auch des mittleren Antiquariats. Die Differenzierungen sind eher unbedeutend, zumal die meisten Ladenantiquare es in jeder Hinsicht den Neubuchhandlungen gleichtun wollen - ich hasse das -, von der Sauberkeit des Fußbodens bis zur Regalgestaltung. Ähnliches gilt im Versand; da die Antiquare eine etwas größere Mißtrauensschwelle beim Versandkunden zu überwinden haben - ein altes Buch ist eben kein eingeschweißtes neues - , sind sie ähnlich pingelig wie ein Neubuch-Versandhändler oder sollten es doch sein. Wohin man blickt: Übereinstimmungen in Bezug auf die Grundfragen und Grundstrategien.

Wenn ich das sage, (berüchtigt als Auffinder der Unterschiede und Vertreter des "halt, nein, aber...") , dann dürfte da was dran sein.

Warum ist der mittlere und kleine unabhängige Neubuchhandel noch nicht darauf gekommen? Nun muß ich meine Worte wägen, um nicht in Fettnäpfchen zu treten, die hier zahlreich aufgestellt sind. Sagen wir so: Der unabhängige kleinere Neubuchhandel hat zwar Interessenvertretungen und Vereinigungen. Diese arbeiten aber nach meiner Einschätzung schauerlich schlecht und rührend ineffektiv. Ich könnte jetzt eine böse Karikaturenserie mit zahlreichen Beispielen aus der letzten Zeit anfügen, versage mir das aber, zumal die Seitenhiebe dem - nach meiner Einschätzung mitverantwortlichen - Börsenverein gar nicht gefallen würden.

Daß uns im Antiquariat, aufgrund der Verbandsstrukturen und, ich kanns dem Leser nicht ersparen, der tiefgehenden und problematischen Pyramidenschichtung unseres Altbuchgewerbes von oben nach unten, die beide zusammen zur Sprachlosigkeit und Handlungsunfähigkeit der Antiquare führen - daß es uns nicht anders geht als dem kleineren Neubuchhandel, dürfte eine Binsenwahrheit sein.

Können Blinde und Lahme sich zusammen aufraffen und gemeinsam erfolgreich sein? J a !

Ich bin fest davon überzeugt, daß der kleinere unabhängige Buchhandel, Hand in Hand mit den mittleren Antiquaren, eine sehr tatkräftige g e m e i n s a m e Organisation zur Absatzförderung und zur Interessensvertretung in vielen Berufsfragen bilden könnten.

Wir sollten lieber heut als morgen mit der Gründung eines Dachverbands beginnen und S t r a t e g i e n auf örtlicher und überörtlicher Ebene entwickeln und durchziehen.



Für das Foto der "Blind Boys" danke ich jacneed.com, die die Rechte daran besitzen

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