Dienstag, 14. September 2010

Wege aus dem Webseitenelend der Antiquare

Die Ausflüge der Antiquare in die Welt des Internet sind so unterschiedlich wie das Gewerbe selbst, das darf uns nicht  verwundern. Aber es gibt eine Reihe von Tu-es, durch die sich manche - eher wenige -  Kollegen auszeichnen und sehr viele Tu-es-nicht, mit denen wir Antiquare unsere Kunden ärgern, als sei es unter uns so abgesprochen.

Es geht mir weniger um Kleinigkeiten. Zwar kann eine durchgehend viel zu große Schrifttype den Leser zur Raserei bringen, bis der Gequälte hurtig aus der eigensinnigen Seite flieht, zwar können die Grade der ästhetischen Folter durch falsche Farbenwahl den Nutzer zu gequältem Stöhnen veranlassen, und die offensichtlich immer noch weitverbreitete schlechte Titelbeschreibung, nebst Verhunzung durch Abkürzungen, widerliche Rechtschreibfehler usw. ist auch keine Labsal. Aber das alles ist, um mit Dr. Wrenzchen in der "Familie Buchholz" zu sprechen, ja alles doch nur äußerlich.

Weitaus schwerer wiegen die psychologischen und taktischen Fehler in vielen Antiquariats-Webseiten. Einige davon haben wir gestern, in den wenigen vorgestellten Fällen, schon erkennen können, ich erwähne nur

* die Bevormundung, das Unmündigmachen, das Überfahren des Kunden
* die Angeberei, hemmungslose oder (noch schlimmer) schamhaft nur angedeutete Renommisterei.
* Unfreundlichkeit, Barschheit, fehlende Höflichkeit, keine Kinderstube im Umgang mit dem Kunden
* jene (meine Einschätzung) Roßtäuscherei, die das Präsentieren des Zugangs zu einer der großen, allgemeinen Datenbanken als "mein Katalog" darstellt
* die unerträglichen Sprüche, wenn der Antiquar Ratschläge, Übersichten, Einführungen von sich geben zu müssen glaubt
* die manische Künstelei im Seitenaufbau, das "neckische" Labyrinthspiel, die zu lösenden Rätsel in der Navigation

Spiegelbildlich hierzu lassen sich die fehlenden Dinge aufzählen, zu denen gehört

* Wärme, Mut zum (wenn auch holperigen) individuellen persönlichen Ton
* rücksichtsvolles, einfühlsames Begleiten des Kunden ohne jede Überheblichkeit
* Wiedergabe eigener Erfahrungen und Beobachtungen im Gewerbe

Dann gibt es noch einige wichtige Punkte außerhalb der großen Linie.

Dazu rechne ich mangelhafte Belehrungen im Rechtsverkehr. Es ist mir unbegreiflich, daß sich die Verbände, Vereine, Arbeitsgemeinschaften und Genossenschaften unseres Gewerbes offenbar immer noch nicht durchsetzen können in diesem doch administrativen, für jedermann einsehbaren, verstehbaren Punkt. Man muß die neueste Rechtslage zur Kenntnis nehmen und in Gottes Namen den unverdaulichen Wust, der uns da aus Berlin vorgeschrieben wurde, geduldig und ziemlich wörtlich ausdrucken. Tut man das nicht, lockt man Anwaltshyänen der schlimmeren Sorte herbei. Hat sich das denn immer noch nicht herumgesprochen?

Unter den etwa 50 Antiquariatsseiten, die ich mir bisher angetan habe (eine andere Formulierung kann ich leider nicht wählen), sind die beiden besten die des Antiquariats Orban & Streu in Frankfurt, 
und des Kollegen Schlick in Zürich. 


Wenn mich das große Grauen packt angesichts der meisten Kollegenseiten, dann erhole ich mich auf diesen beiden Inseln. Die Webseitenbauer möchte ich, sofern es Damen sein sollten, umarmen vor Freude. Welche Wohltat ist eine gelungene Webseite für den Besucher!

Im Kern ärgert mich am meisten, ich gestehe es, unter den Fehlern auf unseren Antiquariatsseiten die notorische  U n f r e u n d l i c h k e i t.  Vielleicht steckt dahinter ein Rest jener - an sich nicht falschen - Berufsrolle vom etwas granteligen, schweigsamen und seine Weisheit nicht an jeden verbreitenden Ladenantiquar. Das läßt sich aber, aheu, merke auf denn, gar nicht ins Netz übertragen. Der Kunde kommt, man darfs ihm nicht übelnehmen, vorsichtig und ängstlich auf der Webseite des Antiquariats an. Er hat allerlei Befürchtungen und Reserven. Ich muß nun als Antiquar ihn an die Hand nehmen, ihm einen guten Kaffee kochen, in den alten Ledersessel bitten, ihm ins Auge blicken und ihn fragen, was er denn gern wolle.

Es geht nicht darum, eine "Einheitswebseite für Antiquare" zu entwerfen, obgleich für unsere kleineren Kollegen sowas in der Art schon recht nützlich wäre. Wir müssen vielmehr Grundlinien, fast immer gültige Regeln, Einfälle und Ideen sammeln, speziell auf unser Gewerbe zugescvhnitten - und die dann auch durchdiskutieren.

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