Samstag, 16. Oktober 2010

Portalseiten-Test der Bücherdatenbanken. 1. Das ZVAB

Von 2010-10-16

Bitte ziehen Sie zur Beurteilung der Farbwerte unbedingt die Originalseite www.zvab.com heran. Meine verkleinerte Abbildung oben bringt die schreckliche Detailwirkung, von der wir unten sprechen, nicht heraus.

Wie immer gibt dieser Test nur meinen persönlichen Eindruck wieder. Wer Webseiten ins Netz setzt, der erfreut oder mißhandelt die Leser und muß damit rechnen, daß sein Wirken bewertet wird.


Zunächst fällt ins Auge, daß "Schnellsuche", mit einer allzu kurzen Suchmaske, links oben in Babyblau angeboten wird, gleich daneben noch einmal, diesmal mit viel zu langer Suchmaske in Schwarz und Himmelblau. Dies wirkt ziemlich ungeschickt, der Leser stutzt und vermutet Schludrigkeit oder Wurstigkeit hinter solcher doppelter Mopplung, jedenfalls nichts Erfreuliches.

Grundfarben: Während des ganzen Portalbesuchs irritierend wirkt das schwule Babyblau. Wir haben nichts gegen Schwule, eher im Gegenteil. Aber das Verständnis für ihre Lebensform geht nicht soweit, die unerträglichen Kitschfarben, die ihnen zugeordnet werden, schön zu finden. Denn es handelt sich nicht um irgendein Babyblau, sondern um jenes mit ausgesuchter Grausamkeit eine Spur zu süßlich angesetzte Blau, das uns das unglückliche ZVAB hier vorführt. Merke, es gibt Farben, die wehtun wie eine Ohrfeige. - Daß der Kontrastabgleich zum Schmutziggelb nicht stimmt, paßt ins Bild. Wie man es fertigbringt, ein ursprünglich freundlich-fröhliches Normalgelb um jene "unmögliche" Nuance ins Schmutziggraue, Depressive zu ziehen, das hat uns das ZVAB bei irgendeiner Reform seiner Farben vorgemacht. Wir sind nicht amüsiert.

"Hier können Sie Ihre Suchanfrage noch weiter verfeinern:" Bitte gelegentlich die Elementargesetze sprachlicher Logik zu beachten. Der Kunde kann nicht etwas "weiter" verfeinern, das er noch gar nicht "verfeinert" hat. Will sagen - die erste Suchmaske diente ja, das ist ihre Stärke, zum Eingeben beliebiger Suchworte. Dies ist keine Verfeinerung gewesen. Der Nutzer soll ja jetzt erst mit der Verfeinerung beginnen. Er verfeinert also nicht "weiter", sondern fängt erst damit an.

Es ist das Ärgerliche an solchen peinlich wirkenden und irritierenden Sprachschnitzern, daß ihre Aufdeckung viel Zeit braucht, während ihre Vermeidung flugs zu erledigen gewesen wäre.

Die "Suchvorschläge" wurden von Kollegen schon kritisiert im Kommentarteil des Börsenvereins-Netzdienstes und ich muß gestehen, daß sie mir auch überhaupt nicht gefallen. Aber es ist Geschmacks- und Ansichtssache und ich beziehe das nicht in die Wertung ein.

An sich bin ich gegen mehr oder minder kryptische Einträge im Startfeld. Wer weiß schon, was er unter "Gutscheine einlösen" verstehen darf und ob er es ankreuzen soll. Aber "Gutschein" ist immer positiv besetzt und so schadet das Feld mindestens nicht.

"Das ZVAB - Zentrales Verzeichnis Antiquarischer Bücher - ist weltweit das größte Online-Antiquariat für deutschsprachige Titel. Über 4100 professionelle Antiquare aus 27 Ländern bieten auf zvab.com rund 30 Millionen antiquarische oder vergriffene Bücher in vielen Sprachen sowie Noten, Graphiken, Autographen, Postkarten und Schallplatten zum Kauf an."

Dieser Anpreisungstext, an dieser zentralen Stelle stört er in seiner Ausführlichkeit den Lesefluß, ist juristisch bedenklich. Erstens ist ZVAB kein "Antiquariat", sondern eine Zusammenstellung der Bestände vieler Antiquariate. Wer das n u r zusammenstellt, "ist" deshalb selber noch lange keines. Aber lassen wir das dahingestellt - Mengenangaben müssen als Werbeargument sorgfältig redigiert werden. Da ist man auf Glatteis. Würde etwa bookfinder klagen gegen den ZVAB-Text, würde es sofort gewinnen - denn es bietet mit Sicherheit mehr d e u t s c h e Titel an, wenn nicht überhaupt weltweit mehr. Und es ist als Meta-Suchmaschine ebensosehr (oder nach meiner Auffassung ebensosehr n i c h t) ein "Antiquariat", wie es das ZVAB (nicht) ist. Fazit: Vorsicht mit solcher Werbeklingelei. Ich halte ferner die Vermischung der "deutschsprachigen" Bücher im ersten Satz mit den weltweit einbezogenen 6500 Antiquariaten für irreführend. Indem ich mit allerlei Tricks und "Kooperationen" den englischen und französischen Bestand fremder Bücherportale einmenge, erwecke ich falsche Eindrücke beim Kunden. Der ganze Text ist in dieser Form bedenklich.

Das "Uni-ZVAB" ist eine pfiffige Idee und in seiner Form brauchbar. Die Titellisten sind nützlich und können angesichts der schauerlichen bibliographischen Unkenntnis gerade der jüngeren Semester eine gute Nothilfe sein. Ich will den grauenhaften Umgangston, mit dem sich die Texter hier dem (vermeintlichen) Umgangston der "Jugend" würdelos-peinlich anbiedern und anschmusen, nicht näher kommentieren, sonst würde eine Schlammschlacht entstehen. Ich finde diesen Sprachstil widerlich - Textbenotung aus mehreren Gründen eine glatte "6". - Wie auch immer, ich würde wenigstens darum bitten, keine Standard-Graphiken lachender Studentinnen zu verwenden. Die kennt nämlich der jugendliche Nutzer aus den Gratis-Bildvorlagen der US-Graphikdienste. Bitte etwas origineller. Der Student blickt drein, als müsse er dringend zur Toilette, die Studentin hat gerade Hasch genommen oder ein Marienerelebnis gehabt.

Die "Kinderbuch"-Ecke entpuppt sich, anders als das in der Idee recht nette Studentenportal, als peinliche Fortsetzung der alten, immer noch nicht beerdigten ZVAB-Manie, teils blöde, teils dröge, immer aber todlangweilige Erläuterungstexte zu bestimmten Bücherarten zu veröffentlichen, in der vergeblichen Hoffnung, daß sie vom Nutzer gelesen werden mögen. Was uns Sigrun Putjenter in Sachen "Kinderbuch und Automobil" hier zumutet, ist so unerträglich in der Form, daß ich den Gehalt erst gar nicht untersuchen mag.

"Waren die Sachbücher zuvor vornehmlich erzählender Natur, so setzt sich nun ein wohl differenzierter und ansprechend illustrierter, informativer Sachbuchstil durch, " - "Nachdem selbst die lange Zeit so attraktive wie exklusive Fliegerei zum Massenphänomen verkam, beflügeln an der Schwelle zum 21. Jahrhundert nur noch die Raumfahrt bzw. Autorennen die Phantasie der jungen Leserschaft, da man hier in aller Regel auch in Zukunft auf eine Beobachterrolle reduziert sein wird." - "Darüber hinaus entspannt sich die zuvor zuweilen drastische Haltung zur technischen Innovation im Bilderbuch. "

Solche Texte sind eines Antiquariatsportals unwürdig.

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Ein Häppchen deutscher Literatur wird vorgestellt, exemplarisch und aus aktuellem Anlaß. Keine schlechte Idee. Wer sich für Literatur interessiert, der wird das gern anklicken. Zumal wenns um Thomas Mann geht.

Was uns nun aber - ohne Autor, also quasi ZVAB-offiziös - präsentiert wird, ausgerechnet im Angesicht eines der größten deutschen Sprachkünstler, ist das hilflose Gestammele eines Unterprimaners, der den Deutschunterricht abgewählt hat.

"Die Spannung steigert sich stufenförmig. Am Ende fällt ein tödlicher Schuss. Viel früher, als die Atmosphäre im italienischen Badeort für die Familie des Erzählers immer unerträglicher wurde, hätte sie abreisen können oder sollen - oder nicht? Der Erzähler gibt seine - pädagogische - Antwort, die Thomas Manns Haltung gegenüber Zeitereignissen, weit über diese Stelle hinaus, auf geradezu geniale Weise beschreibt:"

Hier ist nun alles falsch und peinlich. Von der sich "stufenförmig steigernden" Spannung, über die Atmosphäre und/oder die Familie, die "hätte abreisen können oder sollen - oder nicht?", über die "pädagogische" Antwort (o Gott, meinte der Schreiber "päderastisch"? Dann gäbs wenigstens einen tieferen Sinn) bis zum frechdummen Kommentar "auf geradezu genialische Weise". Armer Thomas Mann, in die Hände welcher Stümper bist Du gegeben...

So geht der ganze Text weiter. Das ist eine einzige Schande! Si tacuisses, liebes ZVAB...

Wieder zurück zur Startseite. Neues Textfeld zum Anklicken - Geschichte der Zensur

Was da über die Geschichte der Zensur in Mittelalter und Neuzeit steht, ist in der Einseitigkeit i n f a m. Die katholische Kirche wird als Hort und Agent der Zensur dargestellt, der sie zweifellos a u c h war - aber verschwiegen, daß die ganze damalige Welt, mitsamt den anderen Kirchen, mit fast allen Herrschern, Stadträten und Finanzagenten nur eines im Sinn hatten: Z e n s u r.

Dieser Text ist in der hier stehenden Form eine Fälschung, eine Gemeinheit gegenüber der katholischen Kirche. Entweder ich stelle das - hochinteressante - Phänomen der Zensur ausgewogen dar - oder gar nicht. Welcher Esel hat diesen Text so ins Netz gestellt?

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Der prominent hervorgehobene rote Button rechts "Unser Service - Ihre Vorteile" ist, Kollege RFMeyer wird entzückt sein, etwas zum "Ausprobieren" für den gern um die Ecke denkenden und mit viel Spiel-Zeit versehenen Kunden. Klicken wir ihn an, kommt der von den Kollegen schon oft kritisierte, an sich ja aber ganz sinnvolle Schmus von der "Qualität" zum Vorschein.

Vorsicht, Abmahngefahr: Ich darf die - gesetzlich vorgeschriebene - 14tägige Rückgabefrist nicht als herausgehobenen bzw. dem Kunden besondere Vorteile verschaffenden positiven Kaufanreiz anpreisen. Das geschieht hier. Schnell ändern! Der Button hieß ja "Unser Service - Ihre Vorteile" und soll zur Heraushebung bzw. Anpreisung spezieller ZVAB-Vorteile dienen. Und da darf die 14-Tagesfrist nicht mit in der Reihe stehen. Sie werden es nicht ändern, ich weiß. Aber irgendwann kömmt ein armer Rechtsanwalt, dem zum Rolls noch die Teakverkleidung des Reserverades fehlt, und mahnt ab.

Unten stehen 5 hübsche Portraitfotos, die sich zwar im Rahmen markieren, nicht aber anklicken lassen. Solche Spielereien irritieren. Zumal "Golo Mann" und "Pasolini" unmotiviert im Felde stehen, etwelche Reste früherer Beiträge, vermute ich mal.

Zum Bücher-Michel, der sich als eine Art unauffälliges Werbefeld rechts in der Mitte befindet, versage ich mir jeden Kommentar. Schauerliche Mißgeburt, von A-Z verdorben und verhunzt, Gott steht uns bei...

"Das bedeutet für Sie eine Datenbank mit hunderttausenden von Titeln...Ab dem 1. September haben Sie die Möglichkeit" - Das Stammel- und Portokassendeutsch des Einführungstextes sagt schon alles.

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Hübsch ist das Feld "Antiquariat des Monats" gestaltet. Gute Idee, nett umgesetzt. Klicken wir drauf, schauen wir mal.

Bedauernswerter Kollege Siegrist in Wädenswil, wo ich meinen alten Käfer reparieren lassen mußte und gut zu Abend gegessen habe, lang ists her - wem bist Du zum Opfer gefallen?

"Täglich verbunden mit Büchern, Lesern und Sammlern" - ja, vielleicht nicht "täglich"? "verbunden" per Telefon, im gemeinsamen Gedenken an Kollegen Heuberger?, mit dem Geist Thomas Manns? Sind Leser keine Sammler? Wie bin ich mit Büchern "verbunden"? Papier desinfiziert, Druckerschwärze auch, wir wissen es, aber es gibt doch inzwischen Leukoplast? - "und dies praktisch über alle Zeiten." ... und unpraktisch? - "Es ist immer ein Stück Lebensgeschichte, Zeitgeschichte und Schicksal mit einem Buch verbunden, sei's nun der Autor, der Protagonist oder die Leserschaft." ...schon wieder wird hier verbunden, ein rechtes Krankenhaus haben wir da. Autor, "Protagonist" und Schicksal wirbeln wild durch die ZVAB-Flure. Zu Hülf, zu Hülf!

Genug des grausamen Spiels. Kollege Siegrist ist bestimmt ein netter Mensch. Aber es ist einfach nur taktlos, den Kollegen durch unveränderte Übernahme solcher Texte an den Pranger zu stellen. Hier würde man als Redaktor in ZVAB-Diensten doch nachfragen, vertiefen, verständlich machen und die sprachliche Form (das Schweizerdeutsch kommt ja noch hinzu) glätten müssen. Ich bin mir sicher, daß man durch kluges Nachfragen eine Menge Erfahrens- und Lesenswertes aus dem offenbar zunächst sehr gehemmten Kollegen herausgebracht hätte, behutsam in gutes Deutsch gebracht.

Wenn das ZVAB s o l c h e Interviews fortsetzen möchte, würde ich jedem, aber wirklich jedem Kollegen raten, sich dem zu verweigern. Welcher Unglückswurm in der Villa am Starnberger See hat denn diese Form des Abfragens und Wiedergebens zu verantworten?

Zurück, etwas ernüchtert, zur Hauptseite.

Der ZVABlog (ach, ein Wortspiel, wie nett...) entpuppt sich als eine graphisch ungeschickt gestaltete, ansonsten aber ganz ordentliche Kopie eines beliebigen Literaturcafé-Blogs. Kann man machen, muß man aber nicht. Immerhin, "schadt nix".

Hinüber zur linke Randseite: Klickt man das (in blöder Fremdwörtelei "Services" genannte) zweitoberste Feld an, versteht man, daß hier S o n d e r d i e n s t e für ausgewählte Benutzergruppen angeboten werden, für Studenten (siehe oben), für Bibliotheken (ein guter, aber viel zu vollmundig angepriesener Dienst, denn "maßgeschneidert für Bibliotheken" ist hier nur die Abwicklungstechnik, nicht etwa das Angebot) und für Buchhandlungen. Immerhin, hier wird solide gearbeitet, und überhaupt scheint mir der Bibliotheksdienst, der sich ja auch an Institute usw. wendet, noch ausbaufähig zu sein. Tiefes Aufatmen also nach dem Schmus und Unfug der rechten Randleiste.

Bewertung der Portalseite:

Schwere Fehler: Schwules Babyblau der Grundfarbe, depressives Schmutziggelb - vernichtend, weil die Frage, wie gern ein Portal angeklickt, ja sogar wie spontan es erinnert wird, stark von der Farbwirkung abhängt. Hier wird purer E k e l gerneriert, ein Unwohlsein. Ich assoziiere: Verdreckte Herrentoilette im Minsker Hauptbahnhof mit Plaste und Elaste aus Zschkopau. Wir reden, bien entendu, von der F a r b w i r k u n g.

Seltsame doppelte Suchmaske und dümmliche "noch- weiter- Verfeinerung": Kleinere Fehler, die nur kurz irritieren.

Etwas zu vollmundiger, sachlich nicht unbedenklicher Anpreisungstext: Keine Negativbewertung, da es als "üblich" in Portalen hingenommen wird.

"Uni-ZVAB" bringt eine positive Bewertungsziffer, auch bei Nicht-Studenten wird damit "jung" und "modern" assoziiert. Das setzt Akzente gegen den vermuteten "Muff-Charakter" alter Bücher und ist zwar in unerträglichem Jargon, aber doch gekonnt umgesetzt.

Die "Kinderbuchecke" ist sprachlich gesehen schauerlich, trotzdem nur schwache Abwertung, weil man bei Kinderbüchern nicht so genau hinsieht.

Thomas-Mann- oder literarische Häppchen-Ecke: Dadurch ganz massive, schädliche Herabsetzung des Niveaus des ZVAB gerade bei denjenigen Kunden, auf die es als Meinungsmacher ankommt, in einem hochsensiblen Feld. Fast so schwerwiegende Abwertung wie bei der Grundfarbenmisere. So etwas darf einfach nicht passsieren!

Zensur-Sachtext: Könnte, wie bei mir geschehen, katholisch-historisch Interessierte zur Verzweiflung bringen. Ansonsten aber eher marginal, nur gelinde Bestrafung.

Die Vorführung des Kollegen Siegrist in einem takt- und gefühllosen Interview, das nicht ausreichend redigiert worden ist: Mittelschwere Notenverschlechterung. Verstöße in Fragen des Takts sind nicht zu unterschätzen.

Die restlichen kleineren Merkmale können für heute unter den Tisch fallen.

Eine Benotung soll erst im Vergleich mit den anderen Portalseiten erfolgen. Der Gesamteindruck des ZVAB-Portals, soviel kann gesagt werden, ist gegenüber früheren Besuchen nicht erfreulich.

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